Senderstreit um den Wahlabend

NR-WAHL: ORF-TV-DUELL DER SPITZENKANDIDATEN SPÖ-ÖVP
NR-WAHL: ORF-TV-DUELL DER SPITZENKANDIDATEN SPÖ-ÖVPAPA/GEORG HOCHMUTH
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Sowohl der ORF als auch vier Privatsender wollen am Sonntag mit den Spitzenkandidaten den Wahlausgang analysieren. Die Sendezeiten überlappen sich um 15 Minuten.

Ein skurriler Streit um die beste Sendezeit am Wahlabend ist ausgebrochen. Sowohl der ORF als auch die Privatsender planen nach der ersten Hochrechnung eine Runde mit allen Spitzenkandidaten aus der Wahlzentrale in der Hofburg. Doch die nun veröffentlichten Pläne der Sender zeigen, dass sich die Sendezeiten um 15 Minuten überschneiden: Der ORF will mit den Kandidaten von 19.55 bis 20.30 Uhr unter der Leitung von Hans Bürger diskutieren. Das Quartett der Privatsender ATV, Puls4, Servus TV und Schau TV möchte die Analyserunde mit den Parteichefs plus Peter Pilz (im ORF ist er nicht dabei) aber schon um 20.15 Uhr beginnen.

Daraus entsteht ein Termindilemma, das sowohl bei den Sendern als auch in den Wahlzentralen der Parteien seit Tagen für Gesprächsstoff sorgt. Schuld daran sind die Privaten, der ORF, die Parteien – je nachdem, wen man fragt. Seit gut drei Wochen werde „dieser Eiertanz“ um die Sendezeit veranstaltet, berichten Sprecher fast aller Parteien mit einer Mischung aus Belustigung und Ungeduld. Allerdings wollen sich einige erinnern, dass der ORF ursprünglich zu einer Runde in der „Zeit im Bild“ um 19.30 Uhr geladen und die Sendezeit erst kürzlich nach hinten verlegt habe.

Aus den Redaktionen der Fernsehsender hört man wiederum, es seien vor allem die Parteien, allen voran ÖVP und SPÖ, die den ORF mit ihrer Zusage bei den Privatsendern unter Druck setzen wollten.

Vier Sender erstmals gemeinsam

Im ORF rückt man jedenfalls nicht von den Plänen ab. Chefredakteur Fritz Dittlbacher erklärte: „Wir haben die Zusage von allen Parteien, dass uns die Spitzenkandidaten von 19.55 bis 20.30 Uhr zur Verfügung stehen, wir gehen davon aus, dass sie sich daran halten.“ Darauf konterte Puls4-Info-Chefin Corinna Milborn: „Auch wir haben die Zusage aller Spitzenkandidaten und gehen davon aus, dass sie sich daran halten. Wir starten jedenfalls um 20.15 Uhr.“ Die Verantwortlichen in den Parteizentralen wünschen sich inzwischen nur mehr, die Sender mögen sich beeilen, da die Kandidaten schließlich irgendwann zu ihren Fans bei den Wahlpartys wollen.

Erstmals kooperieren am Wahlabend ATV, Puls4, Servus TV und Schau TV. Das gefällt wieder dem ORF nicht besonders. Und es entsteht der Eindruck, dass Wettbewerbsauflagen umgangen wurden. Bei der Übernahme von ATV durch die Sendergruppe ProSiebenSat1Puls4 war eine der Auflagen, die redaktionelle Eigenständigkeit von Puls4 und ATV zu erhalten. Eine gemeinsame Kandidatenrunde hätte diese Auflage verletzt, die Runde des TV-Quartetts offenbar nicht. Von „einer TV-Sensation“ schrieb sogleich der „Kurier“ in seiner Mittwochsausgabe auch nicht ganz uneigennützig. Ist das Blatt doch mit dem im Sommer übernommenen Sender Schau TV Teil der Privat-TV-Runde, die von Milborn und Michael Fleischhacker, Moderator von Servus TV, geleitet wird. Die einzelnen Sender berichten vor dieser Runde eigenständig von der Wahl.

Dass der ORF verschnupft auf die Pläne der Privatsender reagiert, lässt sich auch darauf zurückführen, dass vor allem Konkurrent Puls4 in diesem Wahlkampf mit guten Quoten für die politische Berichterstattung belohnt wurde. Die Elefantenrunde Ende September brachte dem Sender Rekordquoten von bis zu 728.000 Sehern. Der ORF hat im Schnitt bei den Zweier-Konfrontationen 500.000 bis über 900.000 Zuseher und kommt bei der Elefantenrunde sicher auf weit über eine Million Seher.

Das Angebot der Berichterstattung am Wahlabend ist generell breiter als vor einigen Jahren. Auch die Bundesländerzeitungen („Kleine“, „TT“, „SN“) werden gemeinsam mit der „Presse“ von 16 bis 20 Uhr live aus der Hofburg berichten. Es moderieren „Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und Sylvia Wörgetter („SN“). Die erste Runde der Spitzenkandidaten sendet übrigens Gratiszeitungschef Wolfgang Fellner auf oe24.at. Zumindest haben ihm - angeblich - alle Spitzenkandidaten zugesagt. Und zwar schon um 19 Uhr.

Der Zuseher sollte sich beim Zappen am Wahlabend übrigens nicht wundern, wenn die Sender von unterschiedlichen Zahlen sprechen. Erstmals gibt es drei verschiedene Hochrechnungen: im ORF, bei Puls4 und ATV sowie bei Servus TV. Letzteres wird das „Urnenergebnis“ (vorläufiges Ergebnis ohne Wahlkarten) prognostizieren, für den ORF rechnet das Sora-Institut stets das Endergebnis inklusive Wahlkarten hoch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2017)

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