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„Und so bleibt Euer Toni der Größte“

Toni Sailer, 1956.
Toni Sailer, 1956.(c) EPA
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Der Boulevard, vor allem die „Krone“, schießt scharf gegen die Medien, die den Akt Toni Sailer aufrollen. Wer das Verhalten dieses österreichischen Skiheiligen hinterfragt, bekommt verbale Prügel.

Eine Lanze will der Schriftsteller und Polen-Kenner Martin Pollack für den 2009 verstorbenen Toni Sailer nicht brechen. Doch an dem von „Standard“, Dossier und Ö1 veröffentlichten Akt zum Vergewaltigungsskandal im polnischen Zakopane 1974 mache ihn etwas „stutzig“, schreibt er. Dass sich die aufwendig recherchierte Geschichte „vor allem auf polnische Unterlagen aus jener Zeit beruft“, rieche für ihn „verdächtig nach dem polnischen Geheimdienst“, der dem Skistar vielleicht eine Falle gelegt hat. Bemerkenswert ist, wo Pollack das schreibt, schreiben kann: auf der Gastkommentarseite des „Standard“. So geht man mit fundierter Kritik und Zweifeln an einer lang zurückliegenden Sache um, bei der die meisten Beteiligten tot sind.

Wie man nicht damit umgeht, zeigt die „Kronen Zeitung“. Seit Tagen reiten Redakteure des Blattes zur Verteidigung des Volkshelden aus. Ein Verhalten, das man vom Medienpartner des Österreichischen Skiverbands (ÖSV) gewohnt ist. Sobald Kritik, ob berechtigt oder nicht, an Vertretern des mächtigen Verbandes geübt wird, schießt die „Krone“ scharf. Auch diesmal: Es sei eine „riesige Sauerei, Toni Sailer anzupatzen“, schrieb Online-Sportchef Max Mahdalik mit Furor, noch dazu „zufällig genau vor den Kitzbühel-Rennen“, als ob der Hahnenkamm-Zirkus durch das Aufrollen der 44 Jahre alten Sailer-Akte getrübt werden könnte. In der Sonntag-„Krone“ folgte eine nicht gerade meinungspluralistische Kolumnentrias zum Thema. Zuerst rügte Chefredakteur Klaus Herrmann die „Qualitätsmedien“ und „publizistischen Aufdecker“, dass sie „das Andenken an den Jahrhundertsportler besudeln“. Kolumnist Heinz Sichrovsky wagte, etwas weniger verbissen, ein Gedankenexperiment: Wenn sich die #MeToo-Bewegung nun „in Ermangelung weiterer lebender Delinquenten auf die Toten“ verlege, wäre schon bei der Schöpfungsgeschichte zu beginnen. Zum Beispiel bei Gott, der den Menschen „in einen tiefen Schlaf fallen ließ und einer seiner Rippen nahm“. Sichrovsky dazu: „Wer hinter diesen abseitigen Praktiken nicht Organhandel unter Einsatz von K.-o.-Tropfen vermutet, ist naiv.“

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