Katharina Schenk: Mit Authentizität statt Algorithmen

Katharina Schenk leitet seit Anfang April die Hauptabteilung TV-Film im ORF.
Katharina Schenk leitet seit Anfang April die Hauptabteilung TV-Film im ORF.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die neue ORF-Fernsehfilm-Chefin Katharina Schenk erzählt im Interview, was heimische Filme von US-Ware unterscheidet, warum die Deutschen österreichische Filme lieben und man sich als Redakteur "ein bisschen wie eine Hebamme" fühlt.

Viel ist dieser Tage von Um- und Neubesetzungen im ORF zu hören. Das sorgt mitunter sogar für Schlagzeilen. Es gibt aber auch Staffelübergaben, die völlig unaufgeregt über die Bühne gehen – für den Zuschauer aber dennoch von Belang sind. Denn wer die Hauptabteilung TV-Film leitet, sitzt am Schalthebel, für das, was der ORF an Fiktionalem produziert, was das Publikum zu sehen bekommt. Ab sofort ist das Katharina Schenk. Die studierte Theaterwissenschaftlerin und Anglistin kam nach Jobs am Theater als Redakteurin in die ORF-Unterhaltung. Dramaturgie hat sie damals schon verstanden. „Aber was die Spezifika dieses Berufs angeht, da gilt learning by doing“, sagt Schenk.

Kein Vergleich zu US-Serien. Man muss lernen, wie man aus Ideen, die an den ORF herangetragen werden, jene filtert, die passen. Wie man ein Drehbuch entwickelt, die Autoren begleitet, an der Dramaturgie feilt. „Das ist wie bei einer Hebamme: Man hilft dem Baby eines Autors mit auf die Welt.“ Dann wird ein Regisseur gesucht, die Dreharbeiten werden von der ORF-Redaktion betreut. „Es ist immer Teamarbeit. Ein Autor kreiert eine Welt, Figuren, eine Geschichte – und dann kommen viele Menschen von außen, die diese Geschichte interpretieren und zum Leben erwecken.“

Sieben Mitarbeiter hat die Abteilung. Nicht viel im Vergleich zu Streamingdiensten und US-Unterhaltungsgiganten. Wie will Schenk dagegen halten? „Unsere Partner in den Produktionsfirmen sind hochprofessionell und kreativ am Werk. Aber so etwas wie ein Writers Room – das ist eine ganz andere Geschichte. Der Output, auch das System der Entwicklung, ist in Amerika völlig anders – das wird dort industrieller organisiert, es gibt eine größere Infrastruktur und Studios, die Autoren anstellen können.“

Die Überfülle an Streamingangeboten habe die TV-Landschaft verändert, sagt sie. „Unsere Antwort ist, dass wir österreichisches Programm machen, mit Geschichten aus unserem Land, über unser Land und mit Lebenswelten, die unser Publikum kennt und mag – wo es eine emotionale Bindung gibt und unsere Sprache gesprochen wird.“ Authentizität statt Algorithmen, die berechnen, was der Zuschauer will. „Ich glaube, dass Nachmachen nicht der einzig richtige Weg ist. Dafür ist dieses Land viel zu eigenständig, dafür sind die Ideen zu gut, dafür haben wir eine zu spezifische und originäre Ausprägung.“ Das sehe man auch am Erfolg österreichischer Produktionen in Deutschland: „Die lieben die Skurrilität unserer Geschichten, den Mut zu kantigen Charakteren und auch, politisch unkorrekt zu sein.“

Und was hat der ORF gerade in Arbeit? Die neue „Soko Kitzbühel“-Staffel geht schon am 15. Mai on Air. Jahrelang war Schenk verantwortliche Redakteurin (wie z. B. auch für „Schnell ermittelt“, „Janus“ und die 3. Staffel „Vorstadtweiber“). „Ich freue mich sehr über ,Soko Kitz‘. Wir haben es bei dieser Produktion, die in ihrem 17. Jahr ist, immer wieder geschafft, dass sie frisch und überraschend bleibt, obwohl man glaubt, man kenne die Produktion in- und auswendig. Das ist eine Leistung.“ Im Dreh befinden sich u. a. die Dramedy „Walking on Sunshine“ mit Robert Palfrader und Proschat Madani, eine Serie unter dem Arbeitstitel „Erbschaftsangelegenheiten“ mit Johannes Zeiler und Brigitta Kanyaro und David Schalkos Version von „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“.

Skandinavien-Fan. Und wenn sie nicht ORF schaut? Dann ist Schenk ein Fan der fiktiven Biopic-Serie „The Crown“, des History-Dramas „Britannia“ („Da fliegen die Fetzen – fantastisch!“) sowie der Mystery-Serie „Dark“. „Und ich kann die skandinavischen Serien fast uneingeschränkt empfehlen.“ Da ist sie wieder: die Authentizität. „Wir in Europa erzählen andere Geschichten als in den USA. Wir erzählen Figuren anders.“ Gleichzeitig schätzt Schenk die Vielfalt der Auswahl: „Jede Geschichte öffnet ein Fenster, der Zuschauer bekommt neuen Input, sieht neue Dinge – wie in einem Buch. Das ist toll! Je mehr wir da an Unterschiedlichem angeboten bekommen, desto besser.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2018)

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