Viva: Der Sound unserer Jugendzimmer

Zwei der bekanntesten Moderatoren von Viva: Nils Bokelberg und Heike Makatsch, im November 1993.
Zwei der bekanntesten Moderatoren von Viva: Nils Bokelberg und Heike Makatsch, im November 1993. (c) imago/teutopress
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1993 startete der Musiksender als deutsche Antwort auf MTV. Stefan Raab und Heike Makatsch wurden dort entdeckt. Der Trash kultiviert. Ende des Jahres ist Schluss damit.

Zum Start am 1. Dezember 1993 spielten sie „Zu geil für diese Welt“, den damals aktuellsten Hit der Fantastischen Vier. Das Lied war eine Ansage in mehrfacher Hinsicht. Selbstbewusst präsentierte sich der Musiksender Viva dem Publikum, aber auch seinem US-amerikanischen Vorbild und Konkurrenten MTV. Der war schon zwölf Jahre auf Sendung und trotz seiner vielen Ableger, auch jenem für Europa, behäbig und seltsam abgehoben geworden. Und nun tauchte da eine freche (ja, damals sagte man das noch so) Gruppe von Menschen auf, die das deutsche Gegenstück zu MTV machen wollte. In deutscher Sprache und mit Musik deutscher Bands. Und im Eröffnungssong hieß es: „Herzlich willkommen zu Ihrem Leben/ In dem Sie die Hauptrolle spielen“. Einer der Leitsätze der damals groß werdenden Generation.

In der durch das Internet kleiner gewordenen Welt mag es seltsam klingen, aber für Jugendliche der Neunzigerjahre war es erhebend, endlich auch die Videos jener Bands sehen zu können, deren Alben man sich gerade im Libro oder Virgin Megastore besorgt hatte. Ohne Napster, YouTube oder Spotify war es schwer, kostenlos in den Genuss der eigenen Lieblingsmusik zu kommen. Wobei sich die Geister bei MTV und Viva noch immer schieden. Die einen zogen die globale Breite der gespielten Musik auf MTV der lokaleren Songauswahl von Viva vor. Wobei dort längst nicht nur Musik lief, sondern alles, was sich unter „Spaßfernsehen“ zusammenfassen ließ: Ratesendungen, Datingshows, später auch Serien und Realityshows anderer Privatsender.

Wer bei Viva moderierte, war VJ

Für den Erfolg von Viva waren in den ersten Jahren die vielen Gesichter des Senders verantwortlich, die als sogenannte VJs die Jugend ansprachen. Die Liste an Moderatoren, die im Viva-versum groß und bekannt wurden, ist beachtlich: Heike Makatsch, Stefan Raab, Sarah Kuttner, Oliver Pocher oder Mola Adebisi. Fünf Jahre später und mit dem Ableger Viva Zwei kam die heutige Bestsellerautorin Charlotte Roche dazu, die die Musiksendung „Fast Forward“ mit einer neuen sprachlichen Schlampigkeit und Chuzpe moderierte, die viele Fans fanden.

Viva fühlte sich ähnlich an wie „Bravo“ lesen. Wie Fast Food fürs Hirn, macht schnell satt und strengt kaum an. Es wurden dort Themen behandelt, die einem vertraut waren, dazwischen lief die Musik, die man ohnehin hörte. In vielen Jugendzimmern der Neunzigerjahre lief permanent Viva, so dort ein eigener Fernseher stand. Logisch, dass der ORF nur zwei Jahre später seine Videowunschsendung „Wurlitzer“ einstellte. Die Zielgruppe für Musikvideos war rasch zu den neuen Musiksendern abgewandert. Beim Wurlitzer riefen noch vereinzelt auch Damen und Herren jenseits der 60 an und wünschten sich Andrea Berg oder die Kastelruther Spatzen. Bei Viva aber hatten Lionel Richies „Hello“ oder Chris de Burghs „Lady in Red“ keine Chance, dort wurden nur Aktuelles aus den Charts und anspruchsvollere Musik aus den Achtzigerjahren gespielt.

Der Erfolg von Viva steckte an, im März 1997 startete mit MTV Germany ein eigener MTV-Ableger für Deutschland, der wiederum Moderatoren wie Markus Kavka oder die Österreicherin Mirjam Weichselbraun bekannt machte. Das Niveau von Viva aber sank mit der Expansion des Senders in mehrere europäische Länder; der Hauptsender wurde immer trashiger, die anspruchsvolleren Sendungen liefen auf dem Schwesterkanal Viva Zwei.

Zu den vielen Gründern des Senders zählten neben Plattenlabels wie Sony, PolyGram und EMI Music auch ein paar Medienmanager und die österreichischen Produzenten Rudi Dolezal und Hannes Rossacher. Erst 2004 stimmten sie alle dem Übernahmeangebot des US-Senders Viacom zu. Dadurch gehörten die einstigen Konkurrenten MTV und Viva plötzlich zusammen. Dabei sah die Zukunft für Musiksender zu diesem Zeitpunkt schon wenig rosig aus. Das Internet und vor allem YouTube machten klassischen Musiksendern zu schaffen. MTV entschied daraufhin, gar keine Musik mehr zu spielen, sondern nur Serien und Shows.

Auf Viva spielen sie heute zwar wieder mehr Musik als früher, erreichen damit aber immer weniger Zuseher. YouTube hat die Musiksender der Neunziger abgelöst. Ende 2018 wird Viva eingestellt. Traurig ist das nicht, denn der Musiksender von einst ist schon lange Geschichte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2018)

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