Anonyme Webseite schreibt über "Bro-Netzwerk" von Sebastian Kurz

10 Jahre Dots Wien Dots 09 11 2015 Martin HO Sebastian KURZ
10 Jahre Dots Wien Dots 09 11 2015 Martin HO Sebastian KURZ(c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Die Webseite „Zoom“ empört die ÖVP. Über die Betreiber ist wenig bekannt: Sie geben an, in der Schweiz zu sitzen, ihre Webseite ist in Panama registriert, die Telefonnummer führt in die USA.

„Zoom“, ein angebliches Rechercheinstitut mit Sitz in der Schweizer Stadt Genf, versucht, in das österreichische Wahlkampfgeschehen einzugreifen: Auf Twitter wurde ein „journalistisches Projekt“ über ÖVP-Chef Sebastian Kurz und den Wiener Unternehmer Martin Ho lanciert.

„Zoom“ kündigte Aufklärung über das sogenannte „Bro-Netzwerk“ der beiden an - und streute dahingehend Gerüchte. Die ÖVP reagierte empört und spricht von „Dirty Campaigning“.

„Bro“ ist eine Kurzform des englischen Wortes für Bruder, „brother“. Die Bezeichnung wird in der Regel für männliche Freunde verwendet.

Kein Impressum

Wer hinter „Zoom“ steckt, wird weder auf dem Twitter-Profil noch auf der Homepage des „Instituts“ verraten; ein Impressum fehlt. Kontakt zu den Betreibern wird nur über Twitter oder E-Mail angeboten; eine Anfrage der „Presse“ an „Zoom“ blieb bislang unbeantwortet.

„Medieninhaber und Herausgeber von Zoom ist das Zoom Institute for Research and Analysis, eine Körperschaft gemäß Artikel 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches mit Sitz in Genf. Unser Ziel ist die Etablierung einer Plattform für tiefgehende Recherche und fundierte Analyse im deutschen Sprachraum“, ist lediglich auf der Homepage zu lesen.

Staatsanwaltschaft könnte aktiv werden

Muss die Website überhaupt ein Impressum haben? Nach Mediengesetz nicht unbedingt, sagt Medienrechtsexperte Thomas Höhne gegenüber der „Presse“. Das Medienrecht verlangt ein Impressum nur für wiederkehrende elektronische Medien, also etwa Newsletter oder Online-Zeitungen. Allerdings müssen ähnliche Angaben wie in einem Impressum gemäß E-Commerce-Gesetz (ECG) gemacht werden: Die Pflicht nach § 5 ECG ist weit gefasst und gilt für Dienste der Informationsgesellschaft. Verlangt sind etwa die geografische Anschrift, eine Firmenbuchnummer und Ähnliches.

Wer dagegen verstößt, muss mit einer Verwaltungsstrafe von bis zu 3000 Euro rechnen. Das ECG gilt für den EU-Raum, wäre aber auch auf die angeführte Körperschaft nach Schweizer Recht anwendbar, da die Website in Österreich abrufbar ist, wie Höhne erklärt.

Soweit die Theorie. Praktisch, sagt Höhne, sei eine Strafe wegen eines Verstoßes gegen das ECG aber nicht durchsetzbar - denn wohin soll die Behörde ihr Schreiben denn schicken? Anders sehe es freilich aus, sollten auf der Website „strafrechtlich interessante Dinge“ stehen, so der Experte. Wenn die Staatsanwaltschaft aktiv wird - zum Beispiel bei Verleumdung -, könnte diese Kontakt zu den Kollegen in Panama, wo die Website registriert wurde, aufnehmen.

Sitz in Panama, Telefonnummer in den USA

Eine Abfrage der „Whois“-Datenbank führt für die Webseite - „Zoom.institute“ - ins Leere. Beim Kauf und Einrichten einer Domain ist die Angabe gewisser Daten verpflichtend; bis zur Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) konnten so Webseiten-Betreiber und Domain-Inhaber über eine „Whois“-Datenbankabfrage ausgeforscht werden. Durch die Eingabe einer Webadresse erhält man so Kontaktinformationen zu technischen und administrativen Ansprechpartnern.

Seit Einführung der DSGVO im Mai 2018 müssen diese Listen nicht mehr zwingend öffentlich gemacht werden, da es sich dabei um die Verarbeitung personenbezogener Daten handelt.

Somit ist im Fall von „Zoom.institute“ nur ersichtlich, dass die Webseite zu Beginn der österreichischen Sommerferien - am 5. Juli 2019 - registriert wurde. Mit Sitz in Panama. Die angegebene Telefonnummer mit der Vorwahl +1 661 führt wiederum nach Kalifornien, zum Sitz des Domain-Anbieters Namecheap.

Auch Bericht über SPÖ-Berater

Auf der „Zoom“-Homepage findet sich jedenfalls ein langer „Code of Conduct“, in dem - neben Versicherungen über sorgfältigen Umgang mit Informationen - zu lesen ist: „Die Recherchen sollten relevant sein. Es muss von Bedeutung sein, ob sie wahr sind oder unwahr. Recherchen sollten vor allem für Österreich von Bedeutung sein.“ 

Abseits des Berichts über Kurz und Ho erschien am 22. Juli auf der Webseite auch ein Text über den Berater von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, Nedeljko Bilalic - der allerdings im Vergleich recht kurz ist und sich vor allem auf österreichische Medienberichte stützt.

Keine Antwort auf Fragen an die ÖVP

Auf Twitter kündigte „Zoom“ insgesamt zwölf Teile zu „Kurz & Ho“ an - und veröffentlichte dazu ein Dokument mit Fragen an Personen, die im veröffentlichten Text vorkommen. Dabei geht es unter anderem darum, ob Ho (er ist Eigentümer der Gastronomiegruppe Dots und betreibt unter anderem den Wiener Nachtclub Pratersauna, Anm.) der ÖVP Geld gespendet und für Kurz Events ausgerichtet habe.

Vonseiten Hos wird die Causa gegenüber der „Presse“ nicht kommentiert. Nur so viel: Es stimme, dass man von „Zoom“ kontaktiert worden sei. Aber da sich die Webseite-Betreiber auf Nachfrage nicht deklariert hätten, habe man ihre Fragen auch nicht beantwortet.

Man habe in „journalistischer Sorgfalt“ auch den ÖVP-Chef mit den Recherchen konfrontiert, aber keine Stellungnahme bekommen, beklagte „Zoom“ indes auf Twitter.

ÖVP will eidesstattliche Erklärung von SPÖ und FPÖ

Eine Stellungnahme gab es dann am Dienstag: ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer zeigte sich empört, dass „unter dem Deckmantel der Anonymität ein vermeintliches Schweizer Institut Unwahrheiten und Unterstellungen verbreitet, nur mit dem Ziel, Sebastian Kurz zu schaden“. Offenbar werde „hier so lange mit Dreck geworfen, bis etwas hängen bleibt“.

Nehammer deponierte den Verdacht, dass die politischen Mitbewerber hinter dieser „Dirty-Campaigning-Seite“ stünden. Es würden „Erinnerungen an die Methoden von Tal Silberstein und der SPÖ aus dem Jahr 2017 wach“ - und es sei auch „verwunderlich, wenn HC Strache (Ex-Vizekanzler und -FPÖ-Chef Heinz-Christian, Anm.) als einer der Ersten die Seite in den Sozialen Medien teilt“. Nehammer forderte SPÖ und FPÖ auf, „eidesstattliche Erklärungen abzugeben, dass sie und ihr Umfeld nicht hinter dieser Seite stehen“.

Die FPÖ sei dazu „gerne bereit“, ließ Generalsekretär Harald Vilimsky umgehend wissen - aber er forderte als Gegenleistung von der ÖVP eine eidesstattliche Erklärung, „im Vorfeld nichts vom 'Ibiza-Video' gewusst“ oder dessen Erstellung in die Wege geleitet zu haben. An dem Video aus dem Jahr 2017, das den damaligen FPÖ-Chef Strache zeigt, wie er über Parteispendenkonstrukte und Staatsaufträge für Spenden spricht, war im Mai die türkis-blaue Koalition unter Kurz und Strache zerbrochen.

(APA/Red.)

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