Boulevardzeitungen berichteten von einer Sexschule, die es nicht gibt. Die „Krone“ macht mit falschen Bildern von getöteten Hunden Propaganda.
"Sex statt Fünfer!“, titelte „Heute“ am 29. November und sorgte für Amüsement in den U-Bahnen. „Wer nicht kommt, der fliegt“ titelte „Österreich“ am 4. 12. um zwei Tage später nachzulegen – mit „Diese Frau lehrt uns Sex“ und dem Bild der „Direktorin“ der ersten „Sex-Schule“ mit verruchtem Lidschatten und leicht lasziver Pose. Auch der „Kurier“ ließ sich – am 7. 12. – die pikante Story nicht entgehen, äußerte aber zumindest einen Verdacht: „Dubios verrucht, aufgeschlossen seriös oder vielleicht doch alles nur Show?“
Erwischt! Wie die österreichische Aktionsgruppe The BirdBase am Montag in einer Aussendung mitteilte, handelt es sich bei der Austrian International School of Sex (AISOS) um einen Medien-Hoax.
Es ist der zweite Streich der Aktionisten. Sie hatten im November etliche Medien in Österreich und Deutschland an der Nase herumgeführt, als sie „Das Schloss“ von Kafka mit zahlreichen Fehlern an Schulen verteilten und dies als EU-gefördertes Projekt ausgaben. Was will die Gruppe? „Nach dem Problem der mangelhaften Bildung thematisieren wir jetzt einen weiteren Bereich, der unsere Zukunft betrifft: die Unfähigkeit, ein langfristig funktionierendes Pensionssystem auf die Beine zu stellen“, heißt es in der Aussendung. Eine Sex-Schule wäre eine Lösung: „Wenn die Politiker nichts machen, müssen wir eben mehr Sex haben, um mehr Kinder zu produzieren“, erklärt BirdBase-Sprecherin Elisabeth S. der „Presse“.
Der Schmäh ist geglückt. In Japan, den USA, Deutschland, der Schweiz – weltweit haben Zeitungen, Radios und Magazine über „The First International School of Sex“ berichtet. Google lieferte am Montag etwa 128.000 Treffer. Wohl auch, weil die Sache gut umgesetzt war. Die Sex-Schule hat eine Homepage und ein Werbe-Video auf YouTube. „Direktorin“ Thompson ist ehemalige Sex-Talkshow-Moderatorin. Die 51-Jährige Schwedin wollen The BirdBase über Bekannte für ihren Streich ins Boot geholt haben.
Nach wie vor ist unklar, wer hinter der Gruppe steckt. Laut Elisabeth S. besteht sie mittlerweile aus 200 Teilnehmern in Österreich. Menschen, die mit gesellschaftlichen Problemen unzufrieden sind – und mit der Untätigkeit der Politiker. „Wir wollen die Menschen wieder dazu aufrufen, zu denken und zu diskutieren. ( . . . ) Gemeinsam können wir etwas bewegen – sogar die Politik.“
„Krone“ macht Stimmung gegen Ukraine
Zumindest wenn die „Krone“ etwas propagiert, wird die Politik aktiv: Montag sprang einem auf der Leserbriefseite das Foto eines bemitleidenswerten Hundes ins Auge, der von einem Soldaten am Genick gepackt wird. „Das Töten von Hunden anlässlich der Fußball-EM geht weiter“, steht darunter. Die Leser sind über die „Säuberungsaktion“ in der Ukraine empört. Doch wie die Medienbeobachter der Internetseite www.kobuk.at recherchierten, verbreitet die „Krone“ seit Wochen falsche Fotos, um ihre These von der angeblichen Massentötung streunender Hunde zu untermauern. Laut Kobuk stammt das Bild aus Rumänien. Ein anderes, das eine erschossene Hündin mit Welpen zeigt, sei 2003 in Bosnien entstanden.
Die „Krone“ macht Stimmung – gegen die Ukraine als Austragungsort der Fußball-EM und für ihren Verein „Freunde der Tierecke“. Beides mit Erfolg: Peter Westenthaler (BZÖ) forderte am 3. 12. Regierung und EU auf, gegen „das bestialische Hundemorden in der Ukraine“ vorzugehen: „Das blanke Entsetzen lösten und lösen veröffentlichte Bilder aus, auf denen Welpen zu sehen sind, die sich an ihre blutüberströmte Mutter schmiegen“, schrieb er. Kurz darauf wurde ein entsprechender Entschließungsantrag im Parlament einstimmig angenommen. FPÖ-Chef H. C. Strache nutzte die Gunst der Stunde und brachte bei einem Besuch bei der „Krone“ einen Spenden-Scheck über 15.000 Euro für die Tiere in der Ukraine vorbei. Auch der ORF berichtete in „Konkret“. Offenbar hatte aber auch das Fernsehen keine passenden Bilder: Das gezeigte Video von einem Hund, der in eine Müllpresse geworfen wird, stammt laut Kobuk aus der Dokumentation „Earthlings“ (2005). Es sei wahrscheinlich in der Türkei entstanden – und wohl gestellt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2011)