Hartmann: „So machen wir nur Schulden!“

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Matthias Hartmann erklärte in seiner Rede beim Burg-Symposium, das Akademietheater sei gefährdet. Der „Presse“ erklärt er, die Politik müsse sich entscheiden.

Die Presse: Sie haben in Ihrer Rede relativ deutlich auf die Budgetproblematik des Burgtheaters hingewiesen. Warum so drastisch? Warum jetzt?

Matthias Hartmann: Ich habe mich lange zurückgehalten. Es ist ja so, dass jene Kollegen von mir, die ständig über Budgetprobleme jammern, keinen Erfolg erzielen, weil es immunisiert. Dieses ständige Jammern in homöopathischen Dosen hat dazu geführt, dass sich Politiker gedacht haben, es wird schon weitergehen, es ging ja bisher auch. Also habe ich lang nichts gesagt, und nur wenn ich gefragt wurde, habe ich zugestimmt. In Wahrheit habe ich gedacht, wir müssen schauen, wann bottom of the line ist.


Und jetzt ist bottom of the line?

Die ist überschritten! Wenn wir so weiterarbeiten, machen wir Schulden. Wir haben 14 Jahre lang die Gehaltserhöhungen, die für uns verhandelt werden – die verhandeln wir ja nicht selbst – nicht erstattet bekommen. Das heißt, dass wir inflationsbereinigt und mit allen Einsparungen – da waren einmal 120 Schauspieler und jetzt sind es unter 80, bei der Technik ist das noch drastischer – seit der Ausgliederung nur noch fünfzig Prozent der Zuwendungen bekommen. Keine Institution auf der Welt kann das verarbeiten. Die Politik muss entscheiden, wie das Burgtheater auszusehen hat. Wollen wir ein Akademietheater haben? Wollen wir, dass das Burgtheater ein Theater bleibt, auf das wir alle stolz sein können? Das Burgtheater ist das Rückgrat des Kulturverständnisses von Österreich. Und es ist auch für das internationale Renommee ein Markstein. Ich glaube, dass die Politik sich viel stärker bekennen sollte: Was an Literatur, an Theater, Choreografie, an Musik usw. in Österreich entsteht, ist immer noch absolute Weltspitze. Klar haben wir Finanzkrisen, klar haben wir politische Probleme. Aber da, wo etwas gut ist, muss man es unterstützen.


Es steht sozusagen ein Burgtheater-Leiter zur Disposition?

Natürlich mache ich hier weiter! Das finde ich immer das Lächerlichste, wenn man mit Weggehen droht. Ich bin gern in Wien, das Publikum liebt das Burgtheater, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu der Stadt aufgebaut und zu den Menschen, die hier ins Theater gehen wollen, und sehe gar nicht ein, warum ich das verändern sollte.


Aber noch einmal zurück zum Burgtheater light, von dem Sie in Ihrer Rede sprechen: ohne Akademietheater und Aufführungen für Kinder zum Beispiel?


Wir haben die Junge Burg eingeführt, wir machen jedes Jahr ein Kinderstück. Die Kinder kommen zum ersten Mal mit neun oder zehn ins Burgtheater, um sie herum schimmern die Luster, und der riesengroße rote Plüschvorhang geht auf, und dahinter ist eine Welt versteckt. Da entsteht eine Bindung, und diese Bindung hält lebenslang. Im ganzen deutschsprachigen Kulturraum gibt es Probleme mit Zuschauern, in Wien gibt's keine. In Berlin sind die Theater froh, wenn sie 60 Prozent haben – ich setze die Stücke ab, wenn ich nur 60 Prozent habe. Wir haben das Casino, einen Ort, an dem Avantgarde stattfindet. Ab der nächsten Spielzeit ist es damit vorbei. Wir müssen Ensembles kündigen oder nicht verlängern, müssen gucken, wie wir das Repertoire eindämmen, wir müssen mit Schließtagen operieren . . . Ich vergleiche das mit einem Jet und dem Jetstream. Ein Jet, der fliegt, weil er einen ganz gewissen Schub hat, und wenn der Schub nicht da ist, stürzt er wie ein Stein zu Boden; obwohl die Triebwerke noch laufen. Darauf möchte ich die Politiker jetzt hinweisen und sagen: Freunde . . .


Sie hatten ein gutes Verhältnis zu Claudia Schmied, was hat sie dazu gesagt?


Das gute Verhältnis ist ja nicht das Problem. Ich glaube, die Politik hat vor vielen Jahren gesagt, die sollen jetzt einmal durch den Mechanismus der Nichtindexierung runterkommen auf ein erträgliches Maß. Und das haben alle gemacht, und das Maß ist überschritten, und keiner hat's gemerkt. In der Nacht vor dieser Rede habe ich mich hingesetzt und habe mit meinem Füllfederhalter angefangen, Papier vollzuschreiben. Und obwohl ich schreiben wollte, wie schön ich alles finde, konnte ich nicht anders, es ist aus mir herausgedrungen, und ich musste die Wahrheit sagen. Es hat keinen Sinn, man kann dieses Haus nicht feiern, wenn man nicht auch über seine Zukunft reden will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.10.2013)

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