"Afrika! Afrika!": Nichts als Happiness?

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André Hellers Zirkusshow "Afrika! Afrika!" ist auch in der Version 2.0 ein farbenfrohes Spektakel, das nicht mit Klischees geizt.

André Heller ist ein Mann, der weiß, was sich gehört. Vor Beginn der Show erklärte er seiner anwesenden fast hundertjährigen Mutter öffentlich seine Liebe. Am Ende ließ er sich von „seinen“ Afrikanern auf die Schultern nehmen, nicht ohne dabei Gesten des Unwohlseins zu setzen. Und dann war die Show auch noch Nelson Mandela gewidmet. Letzteres ginge in Zeiten wild wuchernder Political-Correctness-Gebote gar nicht anders.

Seit den Neunzigerjahren ist es unschicklich, „Neger“ zu sagen. Zuletzt wurden sogar historische Kinderbücher wie „Tom Saywer und Huckleberry Finn“ vom N-Wort gesäubert. Der Meinl-Mohr überlebte nur knapp, die „Zehn kleinen Negerlein“ nicht...

Diese Maßnahmen hätte wohl jeder im Publikum der Heller-Show befürwortet. Und doch waren sie alle in die Stadthalle gekommen, um sich ihre Portion an Lebensfreude abzuholen, die Werbung und „Kritiker“-Stimmen vorher versprochen hatten. Die von der Artistik her gesehen einwandfreie, aber keineswegs genuin afrikanische Zirkusshow servierte im Subtext jede Menge alte Stereotype. Man bekam „edle Wilde“ zu Gesicht, die gar nicht anders können, als ihren permanent sprudelnden Frohsinn in choreografierte Kinetik umzuwandeln. „Diese Afrika-Party ist pure Lebensfreude! André Hellers magisches Musical ist die beste rezeptfreie Medizin!“, steht im Booklet der „Afrika! Afrika!“-CD. Es ist ein Zitat aus der deutschen „Bild“-Zeitung.

Über vier Millionen haben die alte Show gesehen. Für die Neuausgabe verkaufte Heller allein in Wien über 50.000 Karten. „Den Wurschtl kann kana derschlagen“, hat er einst gesungen. Das gilt wohl auch für Exotismus à la „Afrika! Afrika!“. Der Mensch als wohldefinierte Muskelmasse, als Krieger, Sportler, Akrobat und Maschine des Frohsinns – kein Klischee wurde ausgelassen. So ein breit zelebrierter Exotismus ist wohl ein Anachronismus, aber einer, den der Markt gutheißt.

Die Zurschaustellung dunkelhäutiger Menschen hat in Wien immer schon für volle Kassen gesorgt. Vom hochfürstlichen „Mohren“ Angelo Soliman, der nach seinem Tode 1796 ausgestopft und ausgestellt wurde, bis hin zu den vielen anonymen Afrikanern, die in Wirtshäusern der Innenstadt vorgeführt wurden. Höhepunkt war Ende des 19. Jahrhunderts das „Ashantidorf“ auf der Jesuitenwiese im Wiener Prater. Im seinem Bändchen „Ashantee“ zitierte der Dichter Peter Altenberg einen der Darsteller. „Wir dürfen nichts anziehen, Herr, keine Schuhe, nichts, sogar ein Kopftuch müssen wir ablegen? Wilde müssen wir vorstellen, Herr, Afrikaner. Ganz närrisch ist es. In Afrika können wir so nicht sein. Alle würden lachen.“

Ensemble in Fellröckchen

Bei Heller läuft die Sache natürlich nicht so krass. Ja, er sei sogar von den afrikanischen Artisten zur Wiederaufnahme überredet worden, sagte er stolz in Interviews. Nun macht „Afrika! Afrika!“ also abermals die Runde. Eine neu eingeführte LED-Wand schmeichelte mit stilvoller Ornamentik und überaus warmen Farben. Das sogenannte „Théâtre Dadaiste d'Afrique“ zeigte Gliederverrenker und Menschenpyramiden, tribale Tänze ebenso wie Breakdance und Basketballartistik. Dazu spielte die Zirkusband eine Art Greatest Hits des afrikanischen Kontinents – von Miriam Makebas „Pata Pata“ über Manu Dibangos „Soul Makossa“ bis hin zu „Aicha“, dem Welthit des Algeriers Cheb Khaled. Zu „Pata Pata“ wirbelte das Ensemble in Raubtierfellröckchen und mit Bastornamenten an den Wadeln übers Parkett. Das war exakt jene „überschäumende Lebensfreude“, die der Wohlstandseuropäer vorzugsweise gnädig im Sitzen konsumiert.

Exotismus ist heute wieder en vogue

Dabei schien solch Ergötzen an „gefährlicher Sinnlichkeit“ des Afrikaners schon überwunden. Spätestens seit der Afri-Cola-Kampagne des genialen Werbers Charles Wilp. Der hatte bereits 1968 mit leicht surrealen Slogans wie „Die Götterquelle mit dem Afri-Cola-Schlauch“ grassierende Vorurteile radikal ironisiert und somit der Lächerlichkeit preisgegeben. Bloß, niemand ist vergesslicher als der Zeitgeist. Heute ist der Exotismus wieder en vogue, als eines von vielen eskapistischen Unterhaltungsmodellen.

So surft „Afrika! Afrika!“ auf aktuellen Bedürfnislagen. Manchmal sogar richtig unterhaltsam. Da war etwa diese Basketballmannschaft, der zuweilen ein Lapsus passierte. Sympathisch, wenn Zirkus nicht immer perfekt ist, dachte man. Erst im furiosen Finale wurde klar, dass diese Schlawiner die Fehler nur vorgetäuscht hatten, um die Spannung anzuheizen. Ausgiebig labte sich das Publikum an Grazie und Muskelkraft, lange Zeit auch am Imperativ des Frohsinns. Gegen Ende hätte man sich aber schon dringend einen afrikanischen Zwideranten gewünscht. Derart umfassende Happiness kann nämlich ziemlich erschöpfen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2013)

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