Südtirol unter der Betondecke: "Auf die eigenen Füße, Mander!"

Hans Karl Peterlini, Chefredakteur des Südtiroler Wochenmagazins "ff", im Gespräch mit der "Presse" über Meinungsmonopole und die Kulturpolitik hinterm Brenner.

FRAGE: Die Tiroler verweisen gerne stolz auf ihre uralte, im hohen Mittelalter festgeschriebene Demokratie. Aber klaffen nicht in Südtirol formelle und informelle Macht deutlich auseinander?

Hans Karl Peterlini: Wir kennen aber auch andere Vergleiche für das Tiroler Volk: Schafe hinter einem Leithammel. In Südtirol haben wir ohne Zweifel eine behinderte, amputierte Demokratie. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde ein Großteil des Südtiroler Medienwesens von Italien zerschlagen - das ja bis Mitte des Zweiten Weltkriegs noch bunt war. Überlebt hat nur eine Zeitung und eine Partei. An dieser Crux tragen wir.

Sie meinen die SVP als Sammelpartei und die "Dolomiten". Diese Zeitung steht in der Tradition des katholischen Pressewesens. Doch ist nicht nur der regionale Preßverein, Athesia, Eigentümer, sondern dominierend die Familie Ebner, aus der der heutige Chefredakteur Toni und der Europa-Parlamentarier Michael Ebner stammen.

Peterlini: Die Athesia ist hervorgegangen aus dem Preßverein "Tyrolia". Sie hat sich nach dem Anschluß Südtirols von Italien von diesem abgetrennt. Das Eigentum war stark aufgesplittert auf Dekanate, Pfarren, Priester. Eigentümervertreter war Kanonikus Michael Gamper. Dieser hatte eine Nichte, Martha Flies, sie hat Toni Ebner Senior geheiratet - und dieser hat von Kanonikus Gamper das Erbe der Athesia übertragen bekommen. Wie genau das vor sich gegangen ist, dürfen Sie mich nicht fragen, das ist eines der schönen Südtiroler Rätsel. Die Familie Ebner hält einen großer Block gegen viele Splitter-Eigentümer.

Die "Dolomiten" bauen immer wieder kulturpolitische Fronten auf, wie jüngst gegen das vom Bergsteiger Reinhold Messner für Schloß Sigmundskron geplante Mountain Museum. Stimmen der Opposition sammeln sich um Ihr Magazin. So sind Sie Nutznießer der Situation.

Peterlini: Ja, wir sind wohl der Löwenzahn, der aus den Ritzen sprießt. Natürlich kommt uns die Rolle zu, dem offeneren Denken ein Forum zu sein. Das ist eine Rolle, die uns Bedeutung gibt. Die Enge, die von den "Dolomiten" geschaffen wurde, hat natürlich nach Öffnungen geschrien, nach Ventilen für Unterdrücktes, Verdrängtes im kulturellen und kulturpolitischen Bereich. Doch "ff" würde in einer pluralistischeren Medienlandschaft auch einen offeneren Markt finden. Wir haben eine Betondecke über uns, wie leben davon, daß wir ab und zu da heraus sprießen.

Viel Geld für Kulturpaläste

Südtirol hat ein phantastisch hohes Kulturbudget - es ist viermal so hoch wie das von Nordtirol, zuletzt leistete sich das Land ein überdimensioniertes Theater in Bozen. Österreich unterstützt Südtirols Kulturbetrieb immer noch "sotto la tavola ". Wird in die falschen Projekte, Institutionen investiert?

Peterlini: Wenn es noch unter der Hand Hilfsleistungen gibt, würde ich sagen: Auf die eigenen Füße, Mander! Das wäre ein Erwachsen-, ein Mündigwerden, das Südtirol braucht, auch um sich zu demokratisieren. Solange wir immer noch hinten herum Geld bekommen, sind wir einfach kein selbständiges Land. Wir steuern aber darauf zu, ein selbständiges Land zu sein. Nicht was Nationalstaatsgrenzen angeht, aber sehr wohl als eine kleine Enklave in Europa, in der Republik gespielt wird innerhalb der bestehenden Autonomie.

Derzeit nutzt Südtirol das viele Geld zum Bau von Palästen - aber irgendwann muß man auch an den Inhalt denken, und wer in diese Paläste einzieht. Man hat jetzt zwar ein großes schönes Theater - aber darin darf nichts gespielt werden, was erschreckt, alles muß gefällig sein, es darf kein Intendant kommen, der uns ein bißchen überfordert, weil er vielleicht unsere Eitelkeiten, Wehwehchen nicht versteht.

Für den Wiener Georg Mittendrein und seinen aus Graz geholten Nachfolger Marc Günther ist der Vorhang nie aufgegangen, die wurden schon vorher fortgeschickt.

Peterlini: Ja. Dann fahren wir sofort ab mit dem und setzten unseren eigenen Provinzintendanten hinein. Das ist die Crux.

Landeshauptmann Durnwalder kündigte im Juli ein Beratergremium aus einheimischen und auswärtigen Experten an, eine Ideenschmiede, die den Blick Richtung Norden und Süden und Richtung Europa gerichtet haben soll. Will Durnwalder das immer wieder behauptete Meinungsmonopol der "Dolomiten" unterlaufen? Im Fall des Mesner-Museums setzen sie ihm arg zu.

Peterlini: Der Konflikt um das Bergmuseum war lehrreich für die maßgeblichen politischen Kreise. Im Sinne einer Lektion: Draufzukommen, wie weit diese Macht zu gehen bereit ist, welche Mittel sie imstande ist, aufzuziehen - bis hin zur Drohung, Politiker fertig zu machen.

Glauben Sie, daß Messners Bergmuseum noch verwirklicht wird?

Peterlini: Ich weiß es nicht, das ist eine Hängepartie. Es ist noch nicht abzusehen, ob es Reinhold Messner auf Schloß Sigmundskron machen wird, wo er es wollte. Zweites müßte die Jury, die über die Projekte befindet, die Courage haben, dieses Bergmuseum zu billigen - trotz des bereits a priori ausgesprochenen Verbots von "Dolomiten"-Chef Toni Ebner; der sagt: Unabhängig von der Ausschreibung und wer dort gewinnt: Dieses Bergmuseum darf dort nicht errichtet werden. Wer Südtirol kennt, weiß, daß solche Verbote eine gewisse Wirkung haben.

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