Architektur: Wiener Kunsthalle für Berlin

Gerald Matt und Adolf Krischanitz mischen in der Diskussion um eine Berliner Kunsthalle kräftig mit.

Was Berlin gerne hätte, hat Wien in diesem Fall lange schon gehabt: eine temporäre Kunsthalle, an zentralem Ort gelegen, schnell und flexibel zu bespielen. 1992 wurde am Karlsplatz der blaugelbe Container von Architekt Adolf Krischanitz eröffnet. Binnen kürzester Zeit – bis zur endgültigen Übersiedlung ins MQ 2001 – wurde aus der viel kritisierten „Kiste“ samt Café das Zentrum der jungen Wiener Kunstszene.

Als ähnliche Gstättn wie der Wiener Karlsplatz wird sich bis voraussichtlich 2010 in Berlins Zentrum der Schlossplatz, gleich neben der Museumsinsel, darstellen: Bis 2008 soll hier noch der 1976 errichtete „Palast der Republik“ abgetragen, bis 2010 dann das 1950 hier gesprengte Berliner Schloss wieder aufgebaut werden. Ein historisierender Vorgang, der die in Europa zurzeit unvergleichlich lebhafte und internationale Künstlerszene in Berlin nicht kaltlassen konnte: Kurz vor Beginn des Abrisses ließen die Künstlerin Coco Kühn und die Kunstmanagerin Constanze Kleiner inmitten des DDR-„Palasts“ einen „White Cube“ einbauen und zeigten, welche Künstler die Stadt gerade so zu bieten hat: Die Liste las sich wie das Who is Who der Gegenwartskunst, angefangen von Olafur Eliasson über Angela Bulloch bis Gerwald Rockenschaub.

„Noch bürokratischer als in Wien“

Plötzlich war hier ein Ort für jüngere Gegenwartskunst entstanden, der in Berlin fehlt. „Berlins Museen sind noch bürokratischer als die Wiener“, erklärt Gerald Matt, der von den beiden „White Cube“-Organisatorinnen am Rande eines Vortrags zwecks Erfahrungsaustauschs angesprochen wurde.

Kühn und Kleiner wollen nämlich neben der Schloss-Baustelle eine temporäre Kunsthalle einrichten – wie einst die Wiener. Matt war für den Beirat, in dem u.a. auch Katja Blomberg (Haus am Waldsee) und Dirk Luckow (Kunsthalle Kiel) sitzen, schnell gewonnen – und der passende Architekt war auch nicht fern, Kunsthallen-Spezialist Krischanitz unterrichtet an der Berliner Universität der Künste.

Diesmal ist seine Kiste allerdings nicht aus Blech, sondern aus Holz – „wie eine Tennishalle“. Als äußerste Haut fungiert ein beschichtetes, von Künstlern zu gestaltendes Kunststoffnetz. Die Baukosten betragen 950.000€. „Mir gefallen Projekte, die mit einer gewissen Subversion und Hoffnungslosigkeit beginnen“, erklärt Krischanitz der „Presse“ sein bisher ehrenamtliches Engagement – das so hoffnungslos gar nicht mehr scheint: Der aus den USA kommende Philanthrop Dieter Rosenkranz will, so Matt, eine Million Euro bereitstellen.

Sogar positive Gespräche mit Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz habe es gegeben, berichtet der Kunsthallen-Chef. Aber noch sei nichts entschieden: Die Stiftung Preußischer Kulturbetrieb wittere Konkurrenz zu ihren Museen und plädiere für eine dauerhafte Lösung in der Nähe des „Hamburger Bahnhofs“, sagt Matt. Und das Kunstmagazin „Monopol“ hat für den Schlossplatz einen eigenen Architekten-Wettbewerb ausgeschrieben: Gewinner ist die Berliner Gruppe Graft mit einem wolkenartigen Gebilde. Mal gucken, wer in Berlin abhebt.

Bis dahin wird weiter Lobbying betrieben: Am 26.April eröffnet Gerald Matt die erste, von ihm kuratierte Ausstellung der Kunsthalle am Schlossplatz: In einem „Provisorium des Provisoriums“ aus aufgespannten Leinwänden werden Werke von Candice Breitz und Franz Ackermann zu sehen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2007)

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