Die "Traumnovelle" im Orient: Ein feuchter Traum

(c) Julia Stix
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Im Schwül-Schwülstigen Ambiente spielt sich Schnitzlers „Traumnovelle“ gerade recht: Regisseur Ludwig Wüst holt das Theater ins Hotel Orient und macht auch gleich die Zuschauer zu Mitspielern.

Ein Swingerclub hätte sich auch angeboten, erzählt Ludwig Wüst. Als Aufführungsort für seine Inszenierung von Schnitzlers „Traumnovelle“ nämlich. Aber der Regisseur hat die perfekte Lokalität gefunden: Im Wiener Stundenhotel „Orient“ wird nun die psychoanalytisch durchwirkte Reise durch Sein und Schein der Sexualität eines Ehepaares aufgeführt. Der historischen Dimension des Hauses ist sich auch Drag Queen Lucy McEvil bewusst: „Da hätte der Schnitzler auch gewesen sein können.“ Das Thema Stundenhotel wird en detail verfolgt: Wie es sich gehört, wird nach Zeit abgerechnet. 89 Minuten dauert das Stück, 89 Euro kostet der Eintritt: „Wir sind eine Peepshow, pro Minute ist ein Euro fällig“, erklärt Wüst.

Für den Regisseur ist die Arbeit im berühmten Hotel eine Art Heimkehr. Bereits vor elf Jahren hat er hier ebenfalls Schnitzler, damals „Fräulein Else“, spielen lassen. Sogar in derselben Suite. „Die Frau Irina, die Seele des Hauses, hat mich gleich wiedererkannt“, sagt er ganz beseelt. Und trotzdem ist die „Traumnovelle“ etwas Besonderes. Spätestens seitdem Stanley Kubrick in „Eyes Wide Shut“ (1999) Tom Cruise und Nicole Kidman auf eine Odyssee ins Niemandsland zwischen erotischen Fantasien und sexueller Frustration geschickt hat, lässt Wüst die Erzählung nicht mehr los. Seit fünf Jahren arbeitet er nun an seiner Version dieser Novelle über ein scheinbar perfektes Ehepaar: Die Frau macht dem Mann Geständnisse über ihre erotischen Fantasien und Wünsche, der Mann wird Zeuge einer Orgie, von der er nur ungestraft fliehen kann, weil sich eine geheimnisvolle Frau für ihn opfert.

Wüst hat den Stoff ins Heute geholt und reduziert: auf die beiden Hauptfiguren Fridolin und Albertine und die Figur, der sich beide anvertrauen und die „sie zwingt, sich ihren Träumen zu stellen.“ Das ist Nachtigall, gespielt von Lucy McEvil. Für mehr Personen wäre nämlich sowieso kein Platz in der rotsamtigen Kaisersuite.

Die Besetzung zu finden war gar nicht so einfach – vor allem, was Albertine betraf: „Drei Monate habe ich gesucht. Aber alle Kolleginnen, die ich gefragt habe, haben gesagt: Das ist mir zu nah, die ganzen Nacktszenen, ich schätz deine Arbeit, aber das geht nicht.“ Es hat sich dann doch eine Mutige gefunden: Klara Steinhauser kann damit leben, dass ihr 15 Zuseher ganz nahe kommen.
„Diese extreme Nähe hat auch schon wieder etwas von einer Orgie“, findet denn auch Lucy McEvil. Die Frage nach der ominösen Orgie hat natürlich auch Wüst beantworten müssen: „Was kann die Orgie heute sein? Wie ich das verstehe, ist Albertine das Zentrum dieser Orgie. Was passiert also, wenn ich sehe, dass meine Frau nicht von einem Mann, nicht von 100 Männern, sondern von 100.000 Männern so gesehen wird? Wenn zum Beispiel ein Video ins Netz gestellt wird. Kein Mann kann mir erzählen, dass er damit kein Problem hat.“ Um Verlust-
ängste geht es also. Aber da ist noch etwas: „2000 Jahre Kulturgeschichte hat den Männern gezeigt, der Mann sagt, wann er will und kann. Und plötzlich kommt die Frau daher und sagt ,Fick mich‘. Tschuldigung. Das löst bei vielen Männern Todesängste aus.“

Freizügig, aber frustriert

Tipp

Ist denn eine Orgie in sexualisierten Zeiten, in denen „Partnertausch“ für viele kein Fremdwort mehr ist, überhaupt noch ein Aufreger? Das vielleicht nicht, aber „die Grundprobleme haben sich bei aller sexuellen Freizügigkeit nicht verändert. Nämlich wie man mit Frustrationen umgeht“, erklärt Lucy McEvil. Das Publikum der „Traumnovelle“ wird in Wüsts Inszenierung übrigens integriert. Sorge ist aber nicht angebracht, sollte man nicht besonders exhibitionistisch veranlagt sein: „Die Zuseher übernehmen ganz die Rolle von Voyeuren. Deswegen muss auch jeder eine Maske tragen“, beruhigt McEvil. Und nicht nur das: Auch Abendkleidung ist erwünscht. Und noch eine Einschränkung gibt es: Unter 18 kommt man nicht rein. Was dann wieder eine Parallele zu Kubricks „Eyes Wide Shut“ wäre. Den Film bewertet Wüst übrigens, wenn er diplomatisch ist, als „problematisch“. Aber eigentlich hält er ihn wegen seiner sklavischen Texttreue und der Glätte für missglückt: „Deswegen fände ich den Swingerclub so gut. Die Menschen schauen nicht so aus wie diese Playmates in dem Film. Es gibt nicht nur schöne Menschen, das ist eine Lüge.“ Traumnovelle mit Klara Steinhauser, Nenad Smigoc, Lucy McEvil. Hotel Orient, am 11., 18., 25.11.; 2., 9.12.; 20., 27.1.2008; 24.2.; 2.3.
Karten: 0699/1066 08 59

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