Lustspielhaus: Othello, der Mohr aus der Wiener Wurstfabrik

(c) Lustspielhaus/ Lisa Hetzmannseder
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Franzobels „Othello. Ein Schlechter in Hernals“ wurde am Freitag uraufgeführt. Aus Shakespeares Tragödie wurde eine amüsante Posse mit Wiener Schmäh, aus dem farbigen Feldherrn ein Wurstfabrikant.

Da hat Franzobel aus der Eifersuchtstragödie Othello „sehr frei nach William Shakespeare“ eine musikalische Posse mit Wirtshauscharakter gemacht. Man will die Weißwürste förmlich riechen, während sich die Figuren von „Othello. Ein Schlechter in Hernals“ in Tracht durch die Klapptischgarnituren im Wiener Lustspielhaus spielen (und singen).

Die Handlung ist Shakespeares Geschichte vom venezianischen Mohr, jenem edlen Charakter, dem vom Intriganten Jago das Misstrauen eingeredet wird, nicht unähnlich: Da wäre Othello Eiteleder (Ignaz Pluhar), der dunkelhäutige Wurstmanufakteur, der seine vegetarische Braut, die irgendwie doofe, aber furchtlose Desdemona (Sophie Aujesky) liebt. Sie liebt ihn auch, wäre also alles kein Problem. Nur gibt es da noch Jagomir (Christian Kainradl), bei Franzobel ein schmieriger Business-Schnösel, der Unheil säen will. Dabei tut er sich mit dem ständig betrunkenen Viehzüchter und „einfachen“ Villenbesitzer Ludovic (großartig: Ronald Seboth) zusammen, der sich bemüht, aber erfolglos bei „De-nehman-ma-Desdemona“ anbiedert.

Wortwitz und ein Schuss Absurdität

Es ist ein modernes Othello-Märchen, das auf zuweilen etwas seichte, aber durchgehend amüsante Art die Laster der Gesellschaft in die Wirtsstube versetzt. Vortrefflich mimt Brigitte Kren die moralisch flexible (Schwieger-)Mutter Eleonore Hendlmayr, Frau Kommerzialrat und Vorsitzende der Fleischerinnung. Sie ist innerhalb der Grenzen von Hernals eine Dame von Welt, stellt sich den Zeiten, die auch nicht besser werden, mit erhobenem Kinn, steifen Locken und Schoßhund unter dem Arm. Es wird ihr nicht leicht gemacht. Sie will ja keine Rassistin sein, aber dass ihre Tochter, „des Dämonerl“, ein „Amurl mit am Muhrl“ hat, gehört sich halt doch nicht!

Das Stück hält dem brav nach jeder Szene klatschenden Premierenpublikum einen Spiegel vor und zeigt mit Wortwitz und einem Schuss Absurdität, wie schnell aus ehrsamen und respektablen Menschen das Schlechte herausgekitzelt werden kann. Da wird aus dem liebevollen Othello ein jähzorniger Eifersüchtler, aus dem anzüglichen, aber treuherzigen Ludovic ein Intrigant, und die biedere Eleonore, in der der stattliche Othello ungeahnte Gefühle geweckt hat, wirft sich doch tatsächlich (mit urkomischem Hüftschwung) an den Mann ihrer Tochter ran.

Es sieht also schlecht aus für die Liebe. Was kann da noch helfen? Die Moral, ist die Antwort, und sie wird personifiziert durch den aufgesetzt wirkenden Gonzales Morales (Lustspielhaus-Leiter Adi Hirschal), der seine Schützlinge mit Rockergehabe und weißblonder Mähne zum Guten ermahnt.

Wenig Tiefe, dafür Schenkelklopfer

Es ist ein leicht-fröhliches Sommerstück, das Regisseur Christoph Zauner da aus Franzobels Text gemacht hat. Mit Klischees wird gespielt, man hat sichtbar Spaß auf der Bühne. Die Gesangseinlagen (meist Rock-Klassiker mit neuem Text) sorgen für Unterhaltung, stimmliche Hochleistungen bringen die Schauspieler aber nicht. Und ein wenig von der Tiefe der Worte, die der Sprachjongleur Franzobel in sein Stück gepackt hat, geht in der Inszenierung auch verloren.

Dafür gibt es lustige Choreografien, viele Schenkelklopfer und ein abruptes, schräges Ende. Desdemona wird nicht mit einem Kissen erstickt (das wurde davor schon symbolisch erstochen), sondern man findet sich singend auf der Bühne zu einem bizarren Happy End: Die Moral, die zuvor symptomatisch mit Füßen getreten oder im besten Fall ignoriert wurde, hat gesiegt, das Liebespaar ist wieder vereint, und der Intrigant Jagomir wird mit seinem schlechten Charakter sich selbst überlassen. Da war er also, der Zeigefinger, der uns sagt, dass wir guten Menschen am Ende schon als Sieger dastehen werden, wenn wir nur an der Tugend festhalten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2014)

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