Clemens Schick: Auge in Auge mit dem Tod

Clemens Schick
Clemens Schick(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Clemens Schick spielt nicht nur im „Jedermann“ den Killer, sondern auch bei James Bond. Der junge Deutsche spricht über den Drang zum Erzählen und warum er nicht Mönch oder Artist, sondern Schauspieler wurde.

Die Presse: Sie spielen hier bei den Salzburger Festspielen den Tod im „Jedermann“. Haben Sie selbst schon Todeserfahrungen gemacht?

Clemens Schick: Dem Tod bin ich noch nicht begegnet, es gab weder Familienunglücke noch persönliche Erfahrungen. Dass ich Angst vor dem Tod habe, glaube ich nicht, wohl aber, dass man dieses Gefühl einmal im Leben erfährt. Wenn es vorbei ist. Zuvor ist die Auseinandersetzung relativ theoretisch. In Salzburg ist meine Erfahrung, dass die Zuschauer zu meiner Rolle einen anderen Bezug haben als etwa zu Don Carlos oder Richard III. Jeder hat eine Beziehung zu dieser Rolle. Das spüre ich auf der Bühne.


Welche Sterbeszenen der Literatur rühren Sie?

Schick: In meiner Kindheit habe ich „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren gelesen. Da spielt der Tod eine ganz entscheidende Rolle. Lindgren wurde stark kritisiert, weil sie sagte, man könne sich auch dafür entscheiden, aus dem Leben zu gehen. Der große Bruder nimmt den kleinen auf den Arm und springt. Dann treffen sie sich im nächsten Leben wieder, der Drache lähmt den großen Bruder. Darauf nimmt ihn der kleine in den Arm und springt mit ihm ins nächste Leben. Das hat mich extrem fasziniert. Es ist tief traurig und auch erleichternd.

Sie erscheinen als sehr freundlicher Tod, fast als ein Helfer. Wie sehen Sie Ihre Rolle?

Schick: An jeder Rolle interessiert mich besonders, was bereits vorgegeben ist – das muss ich nicht mehr spielen – und was ich als Gegenpol dazu suchen muss. Ich wollte diesem Tod auch etwas Liebevolles geben, besonders am Schluss, wenn ich den Jedermann umarme, statt ihn mit großer Geste hinzurichten. Der Tod ist nicht ein Rächer, sondern jemand, den man auch willkommen heißen kann. Dieses Jahr spiele ich ihn aber vielleicht etwas strenger als im Vorjahr.

Wie äußert sich das?

Schick: Am Anfang, wenn Gott mir den Auftrag gibt, wenn ich sage, dass ich jemanden, der sein Herz auf irdisch Gut geworfen hat, mit einem Streich treffen will, schaue ich mir das Publikum sehr genau an. Ich will ihm klarmachen, dass es um uns geht, nicht nur um den Jedermann auf der Bühne.

Haben Sie einen religiösen Bezug zum Tod?

Schick: Beim ewigen Leben, mit Paradies und Hölle, hört mein Glaube eigentlich auf. Er ist im Hier und Jetzt, hier versuche ich richtig zu leben. Bei der Ewigkeit bin ich mit meinem Latein am Ende. Ich kann mir nicht vorstellen, für etwas zu leben, was es vielleicht gar nicht gibt. Ich hatte einmal einen Soloabend in Chicago, in einem Stück namens „Windows“. Da geht es auch um den Anfang der Welt. In den USA gibt es wegen des Kreationismus eine ganz andere Diskussion darüber. Jemand sagte dann, es sei sekundär, ob die Welt durch Gott geschaffen oder durch den Urknall entstanden sei. Es sei alles so wunderschön, dass man alles dafür geben muss, diese Welt zu schätzen. Das finde ich gut.

Mit zwölf wollten Sie Artist werden, später Schauspieler, einmal auch Mönch. Was verbindet diese Wünsche?

Schick: Die Konsequenz. Mit der Hingabe, mit der ich ins Kloster wollte, übe ich auch meinen Beruf aus. Beide haben mit Gemeinschaft zu tun. Was ich aber heute lebe, ist um einiges weltlicher als im Kloster.

Ihre Karriere reicht vom deutschen Stadttheater bis zu James Bond. Wie ordnen Sie da die Salzburger Festspiele ein?

Schick: Hier ist ein Ort der Begegnung von Kommerz und Kultur, wie ich es sonst nirgendwo kenne. Die Kunst hat hohe Qualität und viel Renommee, man stößt auf Glamour, Neureiches, manchmal auch Vulgäres. Das macht Salzburg begehrenswert und manchmal auch abstoßend. Es ist extrem reizvoll, hier zu arbeiten. Ich weiß auch, worauf ich mich eingelassen habe. Als Schauspieler hat man den Wunsch nach Unabhängigkeit und Freiheit. Ich habe hier gelegentlich das Gefühl, dass ich meine Freiheit verkaufe. Das ist nur ein Gedanke, ich sage nicht, dass es so ist. Aber vielleicht trinken deshalb hier auch immer alle so viel. Klingt das abstrus?

Ich kann es nachempfinden.

Schick: Ich lebe in Berlin in Kreuzberg. Für mich ist Salzburg immer ein Kulturschock. Aber ich bin ein Gegner der Naivität. Es hat keinen Sinn, sich über den Kommerz aufzuregen, weder in Salzburg noch beim Fernsehen. Wenn ich eine TV-Serie mache, weiß ich, auf welches Spiel ich mich einlasse, so wie ich weiß, was es bedeutet, wenn ich mich mit der Presse auseinandersetze. Viele Leute fragen mich, ob es mich nicht nervt, immer auf James Bond angesprochen zu werden. Natürlich nervt es mich nicht.

Wenn Sie es erwähnen, spreche ich Sie eben auch auf Ihre Rolle als Killer in „Casino Royale“ an. In Hollywood sind die Deutschen ja meist nicht die Weltstars, sondern die Bösewichter. Wie haben Sie den Dreh erlebt?

Schick: Als für Bond gecastet wurde, habe ich gerade Richard III. gespielt. Ich hatte 29 Drehtage, Karibik, London, Prag. Da kommt jemand aus dem deutschen Theater, ich in diesem Fall, mit zehn Jahren Theatererfahrung – und hat die Chance, so etwas zu erleben. Das war eine beglückende Situation, weil ich all diese Stars in einer großen Bescheidenheit kennengelernt habe. Sie waren ganz zielorientiert und voller Hingabe. Und dann kommt noch der Glamour-Faktor hinzu. Auch das eröffnet Horizonte.

In Deutschland sind Sie jetzt ein Star.

Schick: Ich würde das nicht überbewerten, auch wenn sich dadurch sehr viel in meinem Leben verändert hat.

Was für Pläne haben Sie, welche Rollen wollen Sie noch spielen? Sie sind doch mit 36 im Hamlet-Alter.

Schick: Ich würde gerne hier weiterarbeiten, auch im Young Directors Project. Ich werde dem Theater verbunden bleiben. Wenn das auch in Salzburg passieren sollte, wäre ich darüber sehr froh. Hamlet wurde schon so viel gespielt, da habe ich ein bisschen Scheu davor. Also: Die Rolle interessiert mich jetzt nicht. Seit ich Don Carlos gespielt habe, denke ich über Philipp II. nach. Und auch die anderen Richard-Figuren bei Shakespeare würden mich interessieren. Wichtiger ist für mich aber, mit wem ich zusammenarbeite, mit welchen Regisseuren und Schauspielern; Rafael Sanchez, Baumgarten, Nübling ermöglichen mir den Freiraum für meine Fantasie. Realität habe ich selbst genug. Mir geht es beim Spielen um eine Erhöhung, um eine Abstraktion.

Welches Theater ist für Sie in Ihrer erträumten Freiheit das ideale?

Schick: Ich möchte Geschichten erzählen. Das ist mein Motor. Ich erzähle sehr gerne, ob das jetzt hier mit Ihnen ist, im Fernsehen, Theater oder Kino. Ich war schon als Kind ein intensiver Geschichtenerzähler. Das Ventil ist das Schauspiel.

Warum schreiben Sie dann nicht Geschichten?

Schick: Nee, ich war nie ein Schriftmensch, schriftlich drohte bei mir immer Versagen, mündlich bin ich gut. Ich unterrichte aber auch Filmstudenten. Da bin ich der älteste, wir profitieren voneinander. Schauspiel ist eine ganz andere Form des Geschichten-Erzählens. Das ist für mich die Essenz.

ZUR PERSON

Clemens Schick, 1972 in Stuttgart geboren, spielte in Wien, an der Berliner Schaubühne und am Schauspielhaus Zürich in Inszenierungen von Johann Kresnik, Sebastian Nübling, Wilfried Minks. 2006 war er einer der Bösewichte im James-Bond-Film „Casino Royale“. „Jedermann“: bis 31.8.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2008)

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