Theater: Der Künstler und seine Krätzen

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Kehlmanns Roman „Ich und Kaminski“ als Theaterstück im Salon5: Zu grell, doch sehenswert.

Miguel Herz-Kestranek, Otto Tausig, Erni Mangold, Ernst Stankovski, Maria Urban – mit einer so beglückenden Ballung österreichischer Schauspielkunst wird eine Aufführung aus der freien Wiener Theaterszene wohl nicht so bald wieder aufwarten. Diese Größen konnte sicher nur der Roman hinter dem Stück anlocken – bzw. sein Autor: Daniel Kehlmann.

„Ich und Kaminski“, zwei Jahre vor „Die Vermessung der Welt“ erschienen, erzählt von einem Journalisten, der mit einer Biografie des berühmten Künstlers Kaminski selbst berühmt werden will. Regisseurin Anna Maria Krassnigg hat daraus ein Theaterstück gemacht – Erzähltext und Dialoge sind wörtlich dem Roman entnommen, mit nur der Logistik geschuldeten minimalen Änderungen der Chronologie – Kaminski und seine Tochter Miriam werden beide von Isabella Wolff gespielt. Zu ihr gesellen sich Daniel Frantisek Kamen (als zwar nicht sonderlich vielschichtiger, aber stimmiger Journalist Sebastian Zöllner) sowie Jens Ole Schmieder u.a. als rätselhafter Autostopper Karl Ludwig. Herz-Kestranek, Tausig und Co. sind nicht leibhaftig zu sehen, sondern in Filmausschnitten, als Personen aus Kaminskis Vergangenheit.

Die Schickeria bespiegelt sich selbst

Geschickt nutzt Krassnigg die Anlage des stimmungsvoll heruntergekommenen Salon5 für einen Überraschungsauftakt (die noch im Barbereich plaudernden Zuschauer finden sich unversehens im Stück wieder, als Teil einer Vernissage), geschickt packt sie die wesentlichen Elemente von Kehlmanns Erzählung in eine minimalistische und doch lebendige Aufführung. Aber die Feinheit der Satire des Romans ist verloren, Isabella Wolff spielt Kaminski als grelle, (scheinbar) vertrottelte Karikatur seiner selbst. Fast bis zum Schluss dauert es, bis Handlung und Charaktere etwas Menschlich-Anrührendes bekommen – und ist da kaum noch glaubhaft.

Man müsse „sehr sattelfest sein im Schweren..., um es so mit dem Leichten aufzunehmen“, heißt es bei Thomas Mann; das gelingt Kehlmann – und misslingt hier, trotz wirklich guter Momente. Dennoch: Mag der Roman auch lohnender sein als seine Dramatisierung – für Herz-Kestranek, Tausig, Mangold und Co. muss man sich eben doch in den Salon5 bequemen.

Informationen: www.Salon5.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2008)

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