Rotwein und karge Kost

Wie wird man 100? Was Genetik und Biochemie dazu sagen.

„Auch wünschte er sehnlichst, alt zu werden“, schrieb Thomas Mann in „Der Tod in Venedig“ über seinen Gustav von Aschenbach, den er freilich nicht alt werden ließ, kaum über 50. Mann selbst erreichte den 80.Geburtstag – wenn er Aschenbach das Lieblingswort „Durchhalten“ zuschrieb, charakterisierte er auch sich selbst.

Reicht Disziplin, um 100 zu werden? Disziplin in der Diät kann jedenfalls nicht schaden: Zahlreiche auch höhere Tiere leben länger, wenn sie kalorienarm ernährt werden. Sie produzieren dann nämlich weniger IGF1; das ist ein Wachstumsfaktor, der den Stoffwechsel ankurbelt. IGF1 braucht einen Rezeptor namens IGF1R. Wenn dieser – aufgrund einer Mutation im entsprechenden Gen – schlechter funktioniert, verlangsamt das auch den Stoffwechsel. Tatsächlich fanden Molekularbiologen, dass eine solche Mutation bei Menschen, die 100 oder älter sind, deutlich häufiger ist.

Ein weiteres Rädchen in der Steuerung des Stoffwechsels ist das Sirtuin Sirt1, das bei schlechter Ernährungslage vermehrt produziert wird. Es mobilisiert z.B. den Fettabbau, aber es kontrolliert auch die Verpackung der DNA und ist bei der Reparatur von Schäden in der DNA aktiv. Diese werden bei zunehmendem Alter häufiger – dadurch ist weniger Sirt1 für die Kontrolle verfügbar, was wieder die Gen-Expression verändert und damit Symptome des Alterns verstärkt. David Sinclair von der Harvard Medical School hat kürzlich (Cell, 135, S.907) gezeigt, dass Mäuse mit mehr Sirt1 deshalb langsamer altern.

Aktiviert wird Sirt1 übrigens durch Polyphenole, z.B. Quercetin, das in Äpfeln, Zwiebeln und Tee vorkommt, und Resveratrol, von dem man besonders viel in roten Weintrauben findet. Das dürfte ein Grund für die lebensverlängernde Wirkung der „mediterranen Diät“ sein. tk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2008)

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