Burgtheater: Politik, Ethik, göttliche Komödien

„Kompetent, leidenschaftlich!“ Karin Bergmann wünscht sich, dass Ostermayer bleibt.
„Kompetent, leidenschaftlich!“ Karin Bergmann wünscht sich, dass Ostermayer bleibt.(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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„Wir haben es in der Hand, eine bessere Welt zu gestalten“, sagte Karin Bergmann bei ihrer Spielplan-Pressekonferenz. Nächste Saison gibt es Aischylos, Nestroy, Jelinek.

Die Österreicher und Österreicherinnen müssen sich entscheiden, ob sie für Offenheit und Europa stimmen oder für Sicherheit und ,Mir san mir'.“ Burgtheaterdirektorin Karin Bergmann nützte am Freitag ihre Spielplanpressekonferenz zu energischen Ansagen. Mit „unglaublicher Euphorie“ habe die Saison 2015/16 begonnen: „Dieses Land hat sich von seiner besten Seite gezeigt.“ Unterstützt von der Zivilbevölkerung wurden viele Flüchtlinge aufgenommen: „Wir haben an ein Europa der offenen Grenzen geglaubt.“ Mittlerweile sei die Euphorie der Ernüchterung gewichen, was auch auf „den Wankelmut der Politik“ zurückzuführen sei. Sie habe Verständnis, dass jeder in einer gewissen Weise sich selbst der nächste sei, Familie, Wirtschaftswachstum und Sicherheit das Wichtigste, aber, so Bergmann: „Wir sind ein Sandkorn.“ Trotzdem, betonte sie: „Wir haben es in der Hand zu gestalten, wie eine bessere Welt sein könnte.“

„Die Leute kommen sich veräppelt vor“

Von der Politik wünscht sich Bergmann vor allem, dass Josef Ostermayer Kulturminister bleibt: „Er ist kompetent und leidenschaftlich. Seit Rudolf Scholten hat es keinen Politiker mehr gegeben, der so aktiv und fundiert die Kultur vertreten hat. Die Kultur muss einen starken Anwalt in der Politik haben.“

Den Menschen, fordert Bergmann, sollte man öfter die Wahrheit sagen: „Die Leute kommen sich veräppelt vor“, wenn Probleme nicht angesprochen und Änderungen ständig aufgeschoben werden. Sie sehe die Zukunft in „Sharing-Modellen und Down-shifting“, die Jugend habe das erkannt, „sie fürchtet sich nicht davor“. Auch die Burg möchte sich verjüngen. Bergmann: Sie vertraue gern jüngeren Regisseuren bedeutende Stücke an, was aber nicht heiße, dass etablierte Künstler weniger wichtig seien. Die Premieren: Antú Romero Nunes wird „Die Orestie“ von Aischylos inszenieren, Michael Thalheimer „Die Perser“. „Die Orestie“ markiere den Übergang vom Blutrecht zum Staatsrecht, erläuterte Dramaturg Florian Hirsch. Martin Kušej bringt Arthur Millers „Hexenjagd“ heraus, Cornelius Obonya wird Shakespeares „Coriolan“ spielen, Philipp Hauß Goethes „Torquato Tasso“.

Eröffnet wird die Spielzeit am 4. 9. mit einer Übernahme von den Salzburger Festspielen: Becketts „Endspiel“ mit Nicholas Ofczarek, Michael Maertens. René Pollesch beschäftigt sich mit Carol Reed, dem Regisseur des Films „Der Dritte Mann“, der über Jahrzehnte und teilweise bis heute das Wien-Bild prägt. Bastian Kraft, dessen Dorian-Gray-Show (mit Markus Meyer) bisher 151 Mal gespielt wurde, beleuchtet Viscontis „Ludwig II.“ neu. Herbert Fritsch inszeniert Shakespeares „Komödie der Irrungen“, Jan Bosse „Bouvard und Pécuchet“, Flauberts Abrechnung mit Denk- und Wissenschaftssystemen des 19. Jahrhunderts. Sechs Autorinnen, darunter Elfriede Jelinek, Jenny Erpenbeck oder Biljana Srbljanović, laden zum „Europäischen Abendmahl“ (Regie: Barbara Frey).

Offene Burg statt Junger Burg

Man kann aber auch mit Platon und seinen Dialogen (Symposion und Phaidon) eine Party feiern – und sich über Eros und Tod Gedanken machen. Andreas Kriegenburg bringt das Lustspiel „Pension Schöller“ heraus, Georg Schmiedleitner Nestroys „Liebesgeschichten und Heiratssachen“. Die großen Stoffe seien ihr wichtig, sagte Bergmann und kündigte für die nächsten zwei Spielzeiten einen eigenen Burgtheater-„Jedermann“ und Dantes „Göttliche Komödie“ an.

Nach der Jungen Burg gibt es nun die offene Burg mit Angeboten für Menschen von 5–99. Bergmann: „Das soll kein Bürgertheater sein. Aber ich möchte, dass das Theater das Haus verlässt und Menschen besucht, die das Burgtheater vielleicht nur vom Fernsehen kennen. Diese möchte ich einladen, den Kosmos Burgtheater zu erleben.“

„Ja, es umgibt uns eine neue Welt!“, ein Zitat aus „Tasso“ hat sich die Burg als Motto für die nächste Saison erwählt. Als Vorgeschmack gibt es am 17. 5. unter diesem Titel eine Diskussion u. a. mit Barbara Coudenhove-Kalergi, Elisabeth Orth, Michael Heltau, Wolfgang Petritsch u. a. Es geht um politische und ethische Fragen (freier Eintritt).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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