Jüdische Tangos und sowjetische Schnulzen

(c) Theater Akzent
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Karsten Troyke und das Trio Scho begeisterten beim Festival KlezMore im Theater Akzent.

Sein Jiddisch hat der Ostberliner Karsten Troyke bei der KZ-Überlebenden Sara Bialas-Tenenberg perfektioniert. Sie brachte ihm auch Melodien und Texte bei, die es so nie gegeben hatte, wie Troyke später erfuhr. Sie hatte sie retrospektiv verschönert. Doch Troyke singt mit seiner behutsam geführten Reibeisenstimme lieber die Versionen von Bialas als jene, die er später in Archiven notiert gefunden hat. Die jiddischen Lieder, die er mit dem famosen Trio Scho und dem Klarinettisten Jan Hermerschmidt bei seinem Auftritt im Rahmen des KlezMore-Festivals auf die Bühne des Theaters Akzent brachte, waren allesamt von aschkenasischer Anmutung. Also Klezmer mit reichlich polnisch-russischer Seele, was einen Mut zu haltlos süßer Melodie einschließt. „In der Fintster scheinen deine Oign“, schwärmte da ein Liebender von seligen Momenten. Dass Leidenschaften wie die Eifersucht grenzenlos sind, davon kündete gleich eingangs das instrumentale „Kine Tango“, dessen Melodie aus dem Libanon stammt.

„Sind so kleine Hände“

Bettina Wegner, die große DDR-Liedermacherin, musste ihren Auftritt aus Krankheitsgründen absagen. Troyke interpretierte dennoch ein paar ihrer Lieder. „Sind so kleine Hände“, sang er berührend a cappella, dann „Die Margeriten“, umrahmt von delikatem Klarinettenspiel. Der Aufbruch der Sixties wurde wieder lebendig, als Troyke die jüdischen Wurzeln damaliger Hits wie „Donna Donna“ und „Universal Soldier“ von Donovan und Buffy St. Marie freilegte. Zu Letzterem hat Wegner einen Text verfasst, der immer noch so gültige Sentenzen wie „Parole wird Ersatz für Verstand“ enthielt.

Des Weiteren brillierten Troyke und das hinreißend spielende Ensemble mit jüdischen Tangos, vorzugsweise in einem charmanten Sprachgemisch namens Jinglish. Komponist Aaron Lebedeff, von dem etwa der Evergreen „What Can You Mach? – S'is America“ stammt, wurde von Troyke mit „I'm Crazy far She, but She's Not Crazy far Me“ geehrt. Da konnte er noch so gefühlvoll beteuern, dass sie sein „Chicken-Schmaltz“ sei, die Angebetete zeigte ihre kalte Schulter. Zudem begeisterten sowjetische Intensivschnulzen, ein Esther-&-Abi-Ofarim-Hit sowie existenzialistische Wegner-Klassiker wie „Tango for Evora“ und „Man sagt“. (sam)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2016)

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