„All About Eve“: All das Theater der Traumfabrik

Die neue und die alte Diva in den Wiener Kammerspielen: Martina Ebm (links) als Eve Harrington, Sandra Cervik als Margo Channing.
Die neue und die alte Diva in den Wiener Kammerspielen: Martina Ebm (links) als Eve Harrington, Sandra Cervik als Margo Channing.APA/HERBERT NEUBAUER
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Herbert Föttinger ist für Christopher Hampton bei der Inszenierung von „All About Eve“ eingesprungen: Abglanz von Hollywood-Glamour in den Kammerspielen.

Kaum zu glauben, dass aus solch einem Mauerblümchen in gut zwei Stunden eine Diva wird – aber die Rolle der Eve Harrington in „All About Eve“ erfordert diese extreme Kunst der Verwandlung. Sie entwickelt sich nach und nach vom totalen Fan des in die Jahre gekommenen Bühnenstars Margo Channing in deren unverzichtbare Gehilfin, schließlich in ihren vollwertigen Ersatz. Diese Geschichte vom Aufstieg am Broadway mit allen Mitteln ist 1950 unnachahmlich von Joseph L. Mankiewicz verfilmt worden. Er deckte die Bösartigkeit im Showbusiness gnadenlos auf, bis in kleinste Nebenrollen war der Film perfekt besetzt. So hat zum Beispiel die junge Marilyn Monroe einen umwerfenden Auftritt, Anne Baxter brilliert als Eve. Wer aber wird je vergessen, wie Bette Davis den alternden Broadway-Star mit jeder Faser verkörpert? So tragisch spielen nur Filmgöttinnen.

Das Theater in der Josefstadt hat sich wieder einmal dem Film verschrieben. Drehbuchstar, Dramatiker und Regisseur Christopher Hampton schrieb die Theaterfassung, Autor Daniel Kehlmann übersetzte den Text, Direktor Herbert Föttinger sprang erneut für eine Regie ein, diesmal wegen Erkrankung des Briten. Es wäre unfair, den mit sechs Oscars ausgezeichneten Klassiker aus Hollywood direkt mit der Bühnenfassung zu vergleichen, die am Donnerstag in den Wiener Kammerspielen uraufgeführt wurde. Dennoch muss sich diese Produktion am Original messen lassen: Man erlebte eine achtbare Inszenierung, zwar nur als Abglanz von Hollywood-Glamour, doch sehenswert vor allem wegen der alles in allem starken Leistung des Josefstadt-Star-Ensembles, das in kargen Bühnenbildern (Walter Vogelweider) agierte. Schön anzusehen ist das Herabdimmen zwischen Szenen. Da erscheinen die Akteure für Momente als Schattenriss – nostalgische Reminiszenzen an den Schwarzweißfilm?

Wer manipuliert all diese Damen?

Im Detail: Die Dialoge perlen im Deutschen nicht so wie im Script von Mankiewicz, obwohl sie von einem brillanten Stilisten wie Kehlmann stammen. Sie wirken etwas betulich. Auch hat Hampton diverse Nebenrollen weiter reduziert – leider auch für tolle Schauspielerinnen wie Martina Stilp und Susa Meyer, die das Zeug zu echten Diven haben, hier aber nur in kurzen Auftritten als beste Freundin und als Gehilfin von Channing ihr großes Können beweisen. Sandra Cervik ist in der Hauptrolle nicht in den Fehler verfallen, Bette Davis zu imitieren. Sie gibt den erfahrenen Star erdiger, fast melancholisch. Manchmal agiert sie in der Gruppe (mit Regisseur, Autor, Produzent, „Freunden“) fast, als wäre sie ein trinkfreudiger Kumpel. Dafür wird dann ihre Trauer über all das Vergängliche glaubhaft. Raffinierter spielt Martina Ebm ihre junge Konkurrentin. Die Entwicklung vom blassen Fan zum alles verdrängenden Star ist stimmig, ein Lehrstück, wie aus Verstellung Entblößung wird. Eve stellt Margo in den Schatten. Schon aber wartet dort auf sie die nächste junge Aufsteigerin, die ihr das Scheinwerferlicht streitig machen wird.

Und wer manipuliert all diese Damen? Mächtige oder auch nur berechnende Männer. Joseph Lorenz spielt mit kaltem Charme einen korrupten Theaterkritiker der „New York Times“, der Stars macht, ausnutzt und auch wieder fallen lässt – eine dankbare Rolle, er ist zugleich auch der Erzähler. Alexander Pschill als Dramatiker, der anfangs auf den Ruhm der Diva angewiesen war, und Raphael von Bargen als deren Regisseur und treuer Liebhaber lassen sich auf dieses infame Spiel differenziert ein – so falsch wie freundlich der eine, intensiv und mit Herz der andere. Beide sind glänzend in ihren recht kleinen Rollen. Das Premierenpublikum war hochzufrieden mit seinen (Film)-Stars und applaudierte ausgiebig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2018)

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