Musical

Jesus Christus: Guru, Rocksänger, Folteropfer

Drew Sarich zeigt als Jesus Christus seine rockigen Facetten.
Drew Sarich zeigt als Jesus Christus seine rockigen Facetten.(c) Herwig PRAMMER
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Die Vereinigten Bühnen Wien zeigen, warum Andrew Lloyd Webbers "Jesus Christ Superstar" gerne als "Rockoper" tituliert wird. Der Star ist das Orchester. Und Drew Sarich.

So wie TV-Sender diverse Sandalen-Filme zu Ostern aus der Versenkung holen, erfährt "Jesus Christ Superstar", das rockig-pathetische Musical von Komponist Andrew Lloyd Webber seit Jahren eine österliche Wiederauferstehung bei den Vereinigten Bühnen Wien - traditionell halbkonzertant mit dem Orchester auf der Bühne platziert. Am Freitagabend war Premiere, insgesamt neun Mal steht die "Rockoper" auf dem Spielplan im Ronacher in Wien.

"Jesus Christ Superstar" ist eine lieb gewonnene Tradition mit wechselnder Ensemble-Besetzung aus den Casts der aktuellen Musicalproduktionen mit zwei Konstanten: Drew Sarich als Jesus und dem Orchester auf der Bühne, beide die Stars des Abends. Carsten Paap führt die 43 Musiker sicher durch die vielen Rhythmuswechsel und für Ersthörer nicht immer gleich eingängigen Abschnitte. Die Gitarristen stehen im Mittelpunkt, Streicher und Bläser sind für den Vollklang und die Dramatik der groβen sinfonischen Fassung des Musicals zuständig. Ungewöhnlich: Schlagzeuger Christian Ziegelwanger darf in der ersten Reihe hinter Glas werken, der Beat stimmt. Für die Zuseher ein interessanter Einblick in die Arbeitsintensivität eines Drummers, der bei Musicals gerne in die hinterste, unterste Ecke verbannt wird.

Die Geschichte des Stücks ist bekannt. Jesus, Jünger, Judas, Verrat, Gerichte, Pilatus, Tod. Hier endet "Jesus Christ Superstar". Nichts mit Auferstehung, die wird maximal angedeutet, aber nicht musikalisch abgehandelt. Die Inszenierung von Alex Balga hat viele gute Einfälle, nicht alle gehen auf. Für eine "halbkonzertant" titulierte Produktion tut sich ziemlich viel. Balga setzt die Geschichte in die Gegenwart, Jesus als Anführer einer neuen Bewegung, seine manchmal etwas gestisch übereifrig agierenden Anhänger machen Selfies und arbeiten an ihrer Online-Kampagne. Die jüdischen Gerichte um Kaiphas (eine der wenigen echten Bass-Rollen im Musical-Genre) und seine Konsorten sind düstere Gestalten in Anzügen oder Mänteln mit Pelzbesatz. Pilatus ist ein glatter Politiker, den man beim Golfen stört, um die Sache mit dem Unruhestifter Jesus zu klären. Eine Szenerie, die funktioniert und den "Ich mache mir meine Hände nicht schmutzig"-Charakter des Pilatus bestens unterstreicht. Die Video-Projektionen von Sam Madwar versetzen das Publikum nach Jerusalem. Der Felsendom gibt eine gute Kulisse ab. Das Ensemble zeigt sich in beliebigem Leder- und Jeanslook, Polizisten mit Schutzhelmen und Schlagstöcken versprühen ein wenig Nahost-Konflikt-Stimmung. Jesus wird in einem orangen Sträflingsanzug gefoltert. Nicht jeder Regie-Einfall unterstreicht Musik und Handlung, doch immer wieder entstehen Momente, die im Publikum Emotionen wecken. 

Musikalisch wird das Frühwerk von Webber - fast vor 50 Jahren komponiert - von seiner besten Seite gezeigt. Die rockigen Nummern werden ab und zu von Schrumm-Schrumm-Gitarren und milden Orgelsounds unterbrochen. Drew Sarich führt seine Stimme sicher durch alle Höhen und Tiefen der Partitur - inklusive Standing Ovation nach "Gethsemane". Seine Wechsel zwischen klaren Sounds, Rock-Stimme und Falsett samt allerlei Effekten wie Distortion und Grunts beeindrucken. Fast nur auf Rock-Sound setzt Sasha die Capri als Judas. Sein Kehlkopf hat allerhand zu tun, als Zuhörer wünscht man sich, er würde in manchen Abschnitten einen Rock-Gang runter schalten. Vor lauter Screaming und verzerrter Stimme bleibt manchmal die Melodie auf der Strecke.

So haben die Wiener Musicalfans und Neugierige jedenfalls wieder einen Grund, ins Ronacher zu gehen. Gesungen wird übrigens auf Englisch - Text versteht man allerdings wenig. Warum zeigt man nicht die deutschen oder englischen Texte auf den Seiten, wie normalerweise für englischsprachige Touristen üblich? Wer sich vor hoher Lautstärke scheut, dem sei ein Gehörschutz empfohlen. Man bekommt die volle Wucht der "Rockoper" zu spüren.

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