Tipps für die Festwochen 2018: Tief schweben, hoch springen

Queer gegen den Kolonialismus: Faka.
Queer gegen den Kolonialismus: Faka. (c) Festwochen/Nick Widmer
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Angst und Überwachung, die alten Griechen, anarchische DJ-Musik und viel Tanz: einige Tipps für die Zeit zwischen 11. Mai und 17. Juni.

Nach herber Kritik am Intendanten Tomas Zierhofer-Kin wegen Randständigkeit und Sektierertum im Vorjahr geben sich die Festwochen heuer wieder seriöser. Relativ. Etwas ungerecht waren die Breitseiten sowieso. Wo sich das Denken verändert, muss es auch die Kunst tun: Cluster statt Systematik scheint gefragt. Aufklärung ist nicht das primäre Ziel, sondern Spiel, wozu auch Verspieltheit und Spielerei gehören. Das Theater wird von anderen Künsten, der bildenden, Tanz, Musik übernommen, überwältigt. Hier einige Vorschläge für einen Pfad durch den Dschungel. Eine bildmächtige Orestie, in der es um die Bedrohung der Demokratie durch ewige Rachegelüste geht, zeigt der türkischstämmige Berliner Ersan Mondtag. Chorisch, wild, mit einer Helena als Grenzgängerin zwischen den Geschlechtern erzählt Ong Keng Sen vom National Theater of Korea in Seoul von „Trojan Women“ in einer Mischung aus koreanischer Oper und Pop. Selbst Outsider kennen „Gangnam Style“ von Psy.

Breitseite gegen Politik: „Die Orestie“ von Ersan Mondtag.
Breitseite gegen Politik: „Die Orestie“ von Ersan Mondtag. (c) (c) Festwochen/Armin Smailovic

Hyperrealitys. „The Song of Roland: The Arabic Version“ von Documenta-Teilnehmer Wael Shawky aus Ägypten soll dazu verführen, Abstand vom eurozentrischen Weltbild zu nehmen. Ferner müssen wir mutiger sein: Der Holländer Dries Verhoeven, Spezialist für Interventionen im öffentlichen Raum, zeigt „Phobirama“ über Angst und Überwachung, die sich immer mehr aufschaukeln. Mitspielen erwünscht. Auch bei „A Dancer’s Day“ von Boris Charmatz. Was macht so ein Akrobat den ganzen Tag? Probieren Sie es doch mal aus. Tanz und Musik sind erneut gewichtiger als traditionelle Bühnenkunst. Zum Beispiel die queeren Performer Faka aus Südafrika. Zum experimentellen Pop im „Hyperreality“-Programm sind außer Faka DJ Haram, DJ Warzone oder DJ Hauswein geladen. Ältere Semester bei heißen Clubnächten? Warum nicht? Vielleicht nehmen ihre Kinder und Enkelkinder sie ja sogar mit.

Schweißtreibender „A Dancers Day“ von Boris Charmatz, Aufwärmen mit Profis für alle.
Schweißtreibender „A Dancers Day“ von Boris Charmatz, Aufwärmen mit Profis für alle. (c) Festwochen/Ursula Kaufmann

Oder zur kanadischen Inuk-Sängerin Tanya Tagaq, die einen Inuit-Film aus dem Jahr 1922, „Nanook of the North“, stimmgewaltig neu illustriert. Vom Freitod fünf streng behüteter Schwestern in einer amerikanischen Vorstadt erzählt Jeffrey Eugenides’ Roman „The Virgin Suicides“, von den Münchner Kammerspielen kommt die Theaterversion nach Wien. Und wer hätte gedacht, dass Christoph Marthaler einmal zu den Traditionalisten gehören könnte? Er bittet zu „Tiefer Schweb“ in eine Unterwasserklausur. Schweben Sie mit!

Tipp

Wiener Festwochen. 11. Mai bis 17. Juni. „Die Orestie“ ab 21. Mai, „Trojan Women“ ab 16. Juni; Diskursprogramm in der Hauptbücherei am Gürtel auf der „Insel des unvorhersehbaren Denkens“ ab 28. Mai, z. B. mit Ibrahim Amir, Seher Çakir; „Hyperreality“, 24./25. Mai, Superamas mit „Chekhov Fast & Furious“ ab 15. Juni. www.festwochen.at

("Die Presse", Kulturmagazin, 13.04.2018)

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