Zeno Stanek: „Das Bühnentürl ist wie der Tabernakel“

Frauenwelt. In „Viel Lärm um nichts“ spielen fast nur Ladys, sagt ­Regisseur Zeno Stanek.
Frauenwelt. In „Viel Lärm um nichts“ spielen fast nur Ladys, sagt ­Regisseur Zeno Stanek. (c) die Presse (Carolina Frank)
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Zeno Stanek über sein neues Theaterfestival „Hin & Weg“ in Litschau, warum ihn Romane auf der Bühne nerven – und über die Kunst, eine gute Ehe zu führen.

Eine Enklave mitten in der Wiener Innenstadt: Hier probt Zeno Stanek Shakespeares „Viel Lärm um nichts“, das ab 26. Juni bei den Sommerspielen in Stockerau zu sehen ist. Dort ist der Wiener Intendant, ferner beim beliebten Musikfestival Schrammelklang in Litschau. Heuer gibt es dort erstmals auch das Theaterfestival „Hin & Weg“: 115 Veranstaltungen an zehn Tagen mit Dramen bekannter Autoren wie Daniel Kehlmann oder Theresia Walser und mit Interpreten wie Katharina Stemberger oder Maxi Blaha. Stanek hat auch einen Theaterverlag. Warum boomt Wiener Musik derartig? „Wiener Musik ist kein Kitsch, sondern das sind urbane Klänge“, betont der Regisseur: „Wir sagen österreichische Weltmusik dazu. Es gibt viele Einflüsse, Landler, Klezmer, Josef Schrammel reiste in den Orient. Mit Roland Neuwirth und Karl Hodinia wurde die Schrammelmusik wiederentdeckt.“

Die Shakespeare-Komödie „Viel Lärm um nichts“ hat auch viel Dramatisches: Krieg, eine Braut, die vor dem Altar sitzen gelassen wird, zwei ewige Junggesellen, die einander beleidigen.
Das ist richtig. Es herrscht Krieg in Messina, das überall auf der Welt sein kann. Denken Sie an Aleppo oder Afghanistan. In unserer Interpretation des Stückes sieht man einen zusammengestürzten Palast, in dem eigentlich nur Frauen leben. Der Gouverneur Leonato heißt Leonata, Cornelia Köndgen spielt sie. Leonata lebt in Messina mit ihrer Tochter und ihrer Nichte. Vor Jahren gab es einen Bombenangriff. Die Frauen haben ihr Refugium mit Stacheldraht umgeben und sich da eingesperrt, der Zugang führt durch ein Rohr. Den Frauen fehlt es an Nahrung, Wasser.

Sie programmieren auch das Schrammelklang-Festival in Litschau.
Das mache ich heuer das zwölfte Jahr. Wir haben als Studierende des Reinhardt-Seminars angefangen, dort Theater zu spielen, gemeinsam mit Studenten von der Berliner Ernst-Busch-Hochschule. Die ersten Aufführungen waren vor den Badekabinen vom Herrensee. Herwig Seeböck hat zuvor in Litschau gespielt, weil seine Frau, die Schauspielerin Erika Mottl, von dort herstammt. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Ort weiterentwickelt, heute steht dort ein richtig tolles Theater. Heuer machen wir dort erstmals unser neues Theaterfestival.

Ein Spin-off Ihres Theaterverlags.
Ein Spin-off vom Schrammelklang. Wir zeigen vorwiegend deutschsprachige Stücke, die dezidiert fürs Theater geschrieben sind und Emotionen wecken müssen. Keine Romanbearbeitungen, keine Filmadaptionen, keine Textflächen.

Was haben Sie gegen Romane im Theater?
Ich halte sie nicht mehr aus. Sie gehen mir wahnsinnig auf die Nerven. Theaterstücke sind ein eigenes Genre. Es muss einen Dramatiker geben, der ein Stück erfindet, Figuren und Konflikte entwickelt, die ideale Orchestrierung baut. Film und Roman sind andere Kunstformen. Wenn man Thomas Manns „Zauberberg“ erleben will, soll man ihn lesen. Wenn ich ihn auf die Bühne bringen will, nehme ich die Thematik und schreibe ein Stück. Wir müssen Dramatik fördern, sonst sterben die Stückeschreiber aus.


Sind Sie nicht neidisch auf die Festspiele Reichenau mit ihren 35.000 bis 40.000 Besuchern?
Wir haben an einem Wochenende beim Schrammelklang etwa 7500 Gäste. Ich bin nicht neidisch und finde Reichenau sensationell. Wir machen was anderes. Wir sind im Norden, sehr an der Peripherie, und der ganze Ort ist involviert. Ich war einige Male beim Europäischen Forum Alpbach. Das Programm ist dort auch sehr dicht und rundherum sind nur Berge. Wenn man in Litschau einen Overkill hat, nimmt man sich ein Radel und fährt herum, man kann im Herrensee schwimmen, Schwammerln suchen, rüber nach Tschechien gehen. In Litschau ist man wirklich weg. Darum heißt das Theaterfestival auch „Hin & Weg“.


Sie stammen aus einer Theaterfamilie.
Der Theatermann war mein Urgroßvater, der Franz Kaiser hieß, sein Künstlername war Armin Ritter. Er war Schauspieler, gründete einen Bühnenverlag und war Kostümsachverständiger. Damals gab es keine Kostümbildner. Shakespeare-Könige konnten nicht im Anzug oder nackert erscheinen. Und Schauspieler mussten ihre eigenen Kostüme mitbringen, die historisch passen mussten. Mein Urgroßvater kannte sich mit historischer Bekleidung aus und hatte einen Fundus. Er war ein Tausendsassa.


Wieso haben Sie für Stockerau „Viel Lärm um nichts“ gewählt?
Mich hat es interessiert, eine Frauenwelt zu bauen und zu zeigen, wie die Frauen ihre Rituale leben und was passiert, wenn Männer dazukommen. Es gibt einen gewissen Heißhunger, aber auch Konfliktpotenzial. Beatrice, die Männerhasserin, hat zum Beispiel eine große Sehnsucht in sich. Mit dem Benedikt verbindet sie eine Sandkastenliebe. Wenn Leute sich dauernd beschimpfen, denke ich mir: Da muss irgendwas zwischen den zweien sein.


Sie selber sind schon ziemlich lang verheiratet.
Heuer 20 Jahre. Wir haben drei Kinder, 19, 16 und sechs. Ich glaube, es ist keine große Kunst, eine Beziehung zu führen, wenn man das Glück hat, jemanden zu finden, der einem Respekt entgegenbringt und den man selber respektiert. Man muss einander unterstützen, in guten wie in schlechten Tagen, wie es so schön heißt. Ich habe das große Glück, dass ich mit meiner Frau, Manzi, vor allem gute Zeiten erlebt habe. Wir waren schon als Jugendliche befreundet, die Liebe kam erst später.


Und sie hat sich gehalten.
Ja. Meine Frau ist Rechtsanwältin. Reine Theaterehen gehen selten gut. Theater ist auch nicht gerade familienfreundlich.


Wie sind Sie zum Theater gekommen?
Ich habe am Reinhardt-Seminar Regie studiert. Für mich war mit 20 klar, dass ich zum Theater will. Schon als Kind war ich sehr viel im Theater, durch den Bühnenverlag der Familie. Für mich war das Bühnentürl wie der Tabernakel, es war was Heiliges, da reinzugehen. Da war ich sehr schüchtern. Zuerst wollte ich ja Jus studieren, aber da hat mir ein bisschen das Wilde gefehlt.


Ist Theater noch eine gesellschaftlich relevante Kunst oder ist das heute das Fernsehen oder das Kino?
Theater ist eine gesellschaftlich relevante Kunst, vor allem in Wien. In Wien geht man zum Schauspieler, selten zur Inszenierung oder zum Stück. Man muss sein Publikum pflegen. Man sollte nicht mit der Brechstange alles ändern und das gewachsene Stammpublikum vertreiben. Es muss Unterhaltung geben und Klassiker. Das Neue muss man parallel dazu machen.


Sie schauen natürlich keine TV-Serien an.
Doch. Netflix-Serien sind teilweise hervorragend, oder auch „Grey’s Anatomy“, toll geschrieben, die Bögen, die Figuren, da kann man was lernen. Aber: Das Medium Theater wird niemals sterben. Da gibt es Krisen, aber dass vorn ein Schauspieler steht und mit Herz und Seele etwas spielt, das wird es immer geben.

Tipp

„Viel Lärm um Nichts“ ist ab 26. Juni bei den Festspielen Stockerau zu sehen. „Hin und weg“ ist von 10. bis 19. August in Litschau.

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