"The Lie": Dieses Theaterstück ist nichts für Verliebte

(c) Reinhard Reidinger
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Darf man bei einem amourösen Ausrutscher lügen, oder hat man gar die Pflicht dazu? Dieser Frage widmet sich Florian Zellers "The Lie" im Vienna's English Theatre.

Wer dachte, die größte Hürde für eine junge Liebe sei es, zum ersten Mal in den Urlaub zu fahren, der hat noch kein Theaterstück von Florian Zeller besucht. Denn der französische Autor lässt den Romantikern im Publikum des Vienna's English Theatre so gar keinen Hoffnungsschimmer – die Protagonisten zelebrieren in „The Lie“ ausgiebig die Doppelmoral.
Alice (Amanda Osborne) und Paul (Martyn Stanbridge) sind ein mondänes Ehepaar der Pariser Oberschicht. An der Wohnzimmerwand hängt ein großformatiges Foto, auf dem sich die Frau mit welligem Haar an ihren oberkörperfreien Ehemann drückt.

(c) Reinhard Reidinger

Die Weinflasche ist geköpft, in Kürze erwarten die Eheleute ein befreundetes Paar zum Essen. Doch schon vor dem Eintreffen kippt Alice das erste Glas hinunter: Denn kurz vor dem geplanten Verzehr der Ente sieht sie den verheirateten Freund (Richard Emerson) eng umschlungen mit einer anderen Frau. Und während sie der Freundin (Saman Giraud) vom untreuen Ehemann berichten möchte, wehrt sich der eigene Gatte vehement dagegen: „Lügen heißt lieben!“

Erst die Wollust, dann die Moral

Die Rollenverteilung in „The Lie“ ist klar, moralarme Egomanie scheint als rein männliche Charaktereigenschaft. Wild gestikulierend erklärt Martyn Stanbridge als selbstbezogener Paul seiner Frau die Welt. Und trotzdem entschuldigt sich am Ende der hitzigen Diskussionen um Liebe, Lüge und Eigennutz immer nur Alice. Diese klischeehafte Figurenkonstellation könnte schnell mühsam werden. Doch Amanda Osborne spielt die unterwürfige Alice im ersten Akt mit genügend Stolz, und schließlich – man hat es ja geahnt – offenbart sich, dass auch die Frauen im Stück einen Hang zur Unehrlichkeit haben. Regisseur Sean Aita lässt alle gegen alle intrigieren. 

Infos zum Stück

Bei Rotwein werden die Freunde zwar nicht ehrlich, dafür aber philosophisch: Darf man in einer Beziehung lügen, oder muss man gar aus Zuneigung flunkern? Während die Diskussion zwischen den Liebenden zuerst noch reizvoll ist, wird sie gegen Ende immer verworrener und schließlich schal. Aber trotzdem bleibt dem Stück eine grundlegende Spannung erhalten, der man sich schwer entziehen kann. Zu lebensnah ist die große Frage nach Schuld, Untreue und Monogamie. Erst kommt die Wollust, dann die Moral? Beunruhigt schielen die Zuseher zum Nachbarsitz."The Lie" im Vienna's English Theatre, täglich um 19:30 (außer Sonntags), bis 20. Oktober 2018. Mehr Infos

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