Iffland-Ring: "Ein begnadeter Schauspieler ist etwas Gewaltiges"

Standing Ovations am Sonntag für den Iffland-Ringträger Jens Harzer, der sich freute und eine romantische Geschichte von Peter Hebel las.
Standing Ovations am Sonntag für den Iffland-Ringträger Jens Harzer, der sich freute und eine romantische Geschichte von Peter Hebel las. APA/HERBERT NEUBAUER
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Peter Handke erinnerte sich an frühe Theatererlebnisse. Regisseur Johan Simons plauderte aus dem Nähkästchen. Alexander Schallenberg hat den Burgton drauf. Am wenigsten redete Jens Harzer, der Geehrte.

Ein Bursch liebt ein Mädchen, doch er ist Bergmann und wird verschüttet. Jahrzehnte vergehen, die Frau wartet auf ihn. Eines Tages wird er gefunden, konserviert im Berg  in Eisenvitriol: "Unverhofftes Wiedersehen" heißt die berührende Geschichte von Johann Peter Hebel (1760-1826), die Jens Harzer am Sonntag bei der Iffland-Ring-Verleihung im Burgtheater gelesen hat. Von der "Verweigerung des Objektivierbaren" in der Bühnenkunst und dem Subjektiven der Begeisterung über das Spiel sprach zu Beginn der Matinee die scheidende Burgtheaterchefin Karin Bergmann. Sie lobte Harzer als einen, der sich nicht in Pose oder Anbiederung gefalle, sondern Respekt vor der Literatur habe.

Danach wurden Ausschnitte aus Aufführungen mit Harzer gezeigt, darunter der Salzburger "Jedermann", in dem er den Tod gespielt hat, eine höchst witzige Sequenz als Cyrano de Bergerac, "Der Schimmelreiter" von Theodor Storm und Ayn Rands "Fountainhead", beide Produktionen in der Regie von Johan Simons waren am Hamburger Thalia Theater zu sehen.

Theater sei ein Wir-Erlebnis, das in keinem Kino passieren könne, erklärte Peter Handke, der aus Paris angereist war, um Harzer zu würdigen, der die Hauptrolle und Handkes Alter Ego in "Immer noch Sturm" bei den Salzburger Festspielen und im Burgtheater gegeben hatte.

Handke zitierte Diderot ("Das Paradox des Schauspielers"). Er erzählte von frühen Erlebnissen als Knabe im Kärntner Dorf, als er die Nachäffer der Lehrer verachtet hatte, sich jedoch kaum halten konnte vor Heiterkeit, als er mit seinen Mitschülern eine Vorstellung von Raimunds "Der Barometermacher auf der Zauberinsel" sah.

Zwischen Raimund und Shakespeare

Später gab es einen Besuch bei Shakespeares "Heinrich V." in der Burg für die Klasse, mit Oskar Werner und Albin Skoda, der Bühnentod Skodas hat Handke stark bewegt. Zwischen Shakespeare und Raimund scheint auch sein OEuvre aufgespannt. Und Handke bekannte, dass er nur wenig mit Brechts Schauspieltheorien (Distanzierung, Vernunft) anfangen könne: "Das Gefühl ist als Ereignis das Bestimmende. Ein begnadeter Schauspieler ist etwas Gewaltiges."

Danach offenbarte Johan Simons, der letztes Jahr in Salzburg Kleists "Penthesilea" mit Harzer und Sandra Hüller inszeniert hatte, dass es Harzer war, der die zwingende Idee dieser Aufführung hatte, nämlich, dass in der Penthesilea Achill stecke und umgekehrt, die beiden Figuren zu einem Wesen verschmelzen: "Du fängst irgendwo tief in dir selbst an und gehst plötzlich erschreckend schnell auf dein Ziel zu", so Simons. Nach einem Intermezzo mit Musiker und Komponist Jörg Widmann, der eine Fantasie auf seiner Klarinette spielte, überreichte der neue Kulturminister Alexander Schallenberg Harzer den Iffland-Ring. Schallenbergs vornehmer Ton (man stelle sich Hietzing, Döbling mit einer Prise Schnitzler vor) passt gut ins Burgtheater, wiewohl der Minister betonte, er hielte sich dort lieber im Zuschauerraum auf - oder im Souffleurkasten.

"Mystischer Akt abseits des Schrillen"

Auf Kritik, dass die Kultur in der neuen Regierung quasi nur ein Anhängsel an Außenpolitik, Europa und Integration sei, für die Schallenberg zuständig ist, versprach dieser regen Austausch mit Kunstschaffenden (wie das die meisten Politiker tun) und freute sich bei seiner ersten Amtshandlung als Kulturminister - "in einer Zeit, da das Schrille und die Vermarktung zu dominieren scheinen" - einen mystischen Akt ohne Pomp und Glamour vollziehen zu dürfen. Das Publikum spendete vor allem Harzer heftigen Applaus und Standing Ovations.

Am Ende standen die Herren einan der umarmend auf der Bühne, während Karin Bergmann eilig verschwand. "BroRo", Brother Romance, nennen junge Frauen heute ironisch Männerfreundschaften. Die Herren Kameraden waren bei dieser Veranstaltung jedenfalls in der Überzahl.

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