"Das weite Land": Schnitzler – handgreiflich

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weite Land Schnitzler ndash(c) APA (ROBERT JÄGER)
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Josef E. Köpplinger inszeniert „Das weite Land“ mit Sandra Cervik und Herbert Föttinger: originell erdacht, trotzdem eher verunglückt.

Einige schöne Melodien und goldrichtige Töne durchziehen diese Aufführung im Josefstädter Theater, die Donnerstagabend Premiere hatte. Aus Gertraud Jesserers Anna Meinhold-Aigner, der Schauspielerin, die ihren einzigen Sohn durch ein Duell verliert, singt das alte Burgtheater betörend aus weiter Ferne. Der kantig-skurrile Hoteldirektor Helmuth Lohners, der offensichtlich die meiste Zeit beschäftigt ist, Briefe seiner zahlreichen Verehrerinnen zu lesen oder ungeöffnet und zerrissen in seinen Rocktaschen zu verstauen, ist eine weitere gelungene Figur. Und das Beste ist der grindige Bankier Natter von Heribert Sasse: ein Geschäftsmann mit untrüglicher Intuition, ein Sherlock-Holmes-Fan und ein Ehemann, der in seine Adele derart vernarrt ist, dass er sogar ihre Liebhaber zur Sommeroperette einlädt. Herrlich!

Josef E. Köpplinger, der Klagenfurt, wo er Intendant des Stadttheaters ist, und Wien schon manche gute Aufführung bescherte, inszenierte „Das weite Land“ – und das hätte eigentlich laufen müssen wie geschmiert. Das Drama vom Fabrikanten, der seine Frau betrügt, aber nicht ertragen kann, dass sie ihm das Gleiche tut, ist eines der besten Schnitzler-Stücke. Man kann es gar nicht oft genug sehen, auch wenn Aufführungen selten so packend sind wie der Text. Luc Bondy und Andrea Breth haben die Tragikomödie präsentiert, ebenso Achim Benning (mit Hackl, grandios!). Herbert Föttinger hat bereits in Reichenau den Hofreiter gespielt.

Leicht hat es sich Köpplinger nicht gemacht, vielleicht war das der Fehler. Er wollte wohl neue schräge Töne ins Geschehen bringen. Vor allem die Handgreiflichkeiten und die Lautstärke mancher Szenen, insbesondere der ehelichen Auseinandersetzungen von Herrn und Frau Hofreiter, wirken irritierend, weniger, weil sie bei diesem Stück eher unüblich sind, als weil sie so übertrieben und aufgesetzt klingen. Zwischen Hofreiter Föttinger und seiner Genia, Sandra Cervik – die beiden sind bekanntlich auch im Leben ein Paar – spielt sich trotz reichlich Gewirbel nicht all zu viel ab. Frau Genia agitiert heftig, schreit, bricht zusammen, rast auf den Gatten zu, schlägt ihn beinahe. Herr Hofreiter wickelt in gleichbleibend lässiger Pose seine Auftritte ab. Er strahlt wenig Kraft aus, bleibt über weite Strecken eine müde Maske. Es muss „Das weite Land“ kein gnadenloser Krieg sein wie bei Andrea Breth, aber ein Salonstück ist das auch nicht. Das Geschehen ist näher an die Gegenwart gerückt, zum Finale hin wird es daher schwierig, das Duell zu motivieren.

Der Tod, bei Schnitzler stark präsent, bleibt hier zu lange im Schatten. Der größte Nachteil ist, dass die Aufführung die Spannung nicht hält und immer wieder absackt. Dadurch tritt das Unvollkommene stärker zutage. Vielleicht wurde man nicht fertig.

Illusionslose Erna, lässiger Fähnrich

Peter Scholz ist ein griesgrämiger Doktor Mauer, Gerti Drassl eine witzig illusionslose und dennoch leidenschaftliche Erna, Elfriede Schüsseleder als Mama Wahl bleibt blass. Ein ungewohnt lässiger Militär, mehr ein Bub auf der ewigen Suche nach der abwesenden Mama, ist Otto Aigner (Martin Hemmer). Er küsst Genia ohne Umschweife unter dem schönen Baum, den Rolf Langenfass als Leitmotiv auf die Bühne stellte.

In den kleineren Nebenrollen gibt es deutliche Schwächen. Immerhin: Alexandra Krismer ist eine interessant herb-saure Adele, die wie ein Kind ewig trotzig auf des Alt-Natters (Sasse) Devotion reagiert. „Hier stimmt nichts“, meinte ein Habitué. Das ist nicht wahr. Das Publikum applaudierte angetan und wird auch in der Folge nicht zu leiden haben. Platzregen und Kurzschlüsse auf der Bühne wie auf der Straße gab es Donnerstag bei der Premiere. Die Schauspieler blieben gelassen. Die Technik zeigte teils mehr echtes Temperament als sie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2010)

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