Oscar Wilde als echter britischer Dandy

Oscar Wilde echter britischer
Oscar Wilde echter britischer(c) AP
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Zweimal Salonkomödie: „The Importance of Being Earnest“ ist seriös in Vienna's English Theatre, schrill im 3-Raum-Anatomietheater – grundverschieden, doch beide Male toll inszeniert.

Oscar Wildes letztes Drama, „The Importance of Being Earnest“ (1895) ist so pointenreich, federleicht und zugleich tödlich giftig, dass es einen erfahrenen oder genialen Regisseur braucht, um höchsten Ansprüchen zu genügen. In jenem seziert der Dichter, der im selben Jahr wegen Homosexualität angeklagt wurde und für zwei Jahre ins Gefängnis in Reading musste, die scheinheilige britische Gesellschaft.

Regisseur Philip Dart, dessen Inszenierung von „The Importance of Being Earnest“ derzeit in Vienna's English Theatre zu sehen ist, schreibt, dass er bereits als Student das Stück aufführen wollte. Sein Lehrer habe ihm das aber versagt, weil er noch „viel zu unerfahren“ gewesen sei, dieses flammenhelle britische Lustspiel zu bewältigen. 30Jahre Warten haben sich gelohnt. Dart hat eine aparte Interpretation dieser Salonkomödie geliefert. Beste angelsächsische Schauspieler stehen ihm dabei zur Verfügung, sodass eine konventionelle, rasante, von Bonmots perlende Aufführung gelingt.

James Cawood als Algernon Moncrieff ist ein Dandy ganz nach dem Vorbild Oscar Wilde, Tom Micklem als John Worthing bietet ihm als versnobter Gentleman, der zwischen Land und Stadt pendelt, den nötigen Widerpart. Die beiden frönen dem Laster des „Bunbury“ (so der andere Titel des Stückes – eine erfundene Figur, die sie als Ausrede für Eskapaden benutzen). Die Herren finden über mehrfach verschränkte Umwege zu dubiosem Eheglück, vielleicht sogar zu ein bisschen Identität. Olivia Wright ist eine hinreißend verschlagene Gwendolen, der jedes Mittel recht ist, um ihren John, den sie für einen Ernest hält, zu bekommen, Kristin Atherton die bizarre Tagebuchschreiberin Cecily, die sich ebenfalls einen Ernest herbeifantasiert, der sich vorerst als gewöhnlicher Algernon entpuppt.

Diese Lady entlarvt das Establishment

Namen und Herkunft sind für das Quartett nämlich nicht Schall und Rauch, sondern alles. Der Schein bestimmt das Sein, das sieht man am besten an Gwendolens Mutter. Kate Dove spielt die Lady Bracknell, einen Klassiker britischen Klassenbewusstseins, mit großer Konsequenz. Assistiert wird dem entlarvenden Quintett der High Society von komischen Figuren gewöhnlicher Menschen. Der schräge Reverend (Roger Bingham), die schrullige Erzieherin (Jean Perkins) und lakonische Diener (Moray Treadwell) dürfen in keiner dieser Komödien fehlen. Gespielt wird mit hohem Tempo, großer Modulation und beinahe lasziver Zurückhaltung beim Setzen der Pointen. Ein starkes Stück im Haus in der Josefsgasse 12.

Ganz anders, aber ebenfalls mit großer Erfahrung in der Lust am Spiel, hat Hubsi Kramar „Bunbury“ oder „The Importance of Being Earnest“ in seinem 3-Raum-Anatomietheater (Beatrixgasse 11) inszeniert. Die gut zweistündige Aufführung ist um Grade schräger als jene im English Theatre. Dafür sorgt allein schon die als Travestie angelegte Show von Lucy McEvil als Lady Bracknell. Ihm/ihr gelingt eine scharf gezeichnete Karikatur der britischen Lady aus besseren Tagen. Ebenfalls schräg: Christian Rajchl als triebhafter Pastor, der seine nach allen Seiten offenen Neigungen hinter salbungsvollen Rede verbirgt, Lilly Prohaska als Unikum einer Gouvernante: so frivol wie streng.

Ein bisexueller Dandy mit Lust auf Gurken

Stefano Bernardin (Algernon) legt den Dandy sogar noch schriller an als McEvil die Lady: Tänzelnd, Gurkensandwiches essend und Grimassen schneidend turnt er sich von Wortspiel zu Wortspiel, herzt bisexuell Diener, (Marko Kölbl), Freund (geradezu ernsthaft Markus Kofler) und Ladys. Aber auch die Herzensdamen sind dem Wechsel nicht abgeneigt. Julia Karnel als Cecily ver- und entlobt sich in ihrem fantastischen Tagebuch nach Belieben, und bei Susanna Knechtl als Gwendolen kommt es schon vor, dass sie nach kurzem Abtauchen sowohl mit dem Butler als auch mit dem Zukünftigen in leicht derangierter Kleidung wieder auf die Bühne kommt. Männlein und Weiblein tauschen sich gerne aus – das kann man getrost aus Oscar Wildes Drama herauslesen.

Und welche Aufführung ist nun zu empfehlen? Die britische Inszenierung ist ohne Zweifel professioneller gemacht, aber auch braver. So spielt man gelungene „Bunburys“ seit hundert Jahren, mit dieser Raffinesse wird der Untergang des britischen Imperiums begleitet. Mehr Mut zum Schrillen zeigt die Inszenierung im dritten Bezirk. Sie hat Herzblut und scheut nicht das Erdige. Sie ist sogar ein bisschen pervers in ihrem frivolen Kitsch. Der wahre Gentleman wird also auf keinen Fall zugeben, dass er das mag.
„The Importance of Being Earnest“ in Vienna's English Theatre: bis 22.12. (außer an Sonntagen), 19.30 Uhr.
„Bunbury“ im 3-Raum-Anatomietheater: 19./20. und 24.–27.November, 1.–4. und 8.–10.Dezember 2010, 19.30 Uhr.

Zum Autor

Oscar Wilde, am 16.Oktober 1854 in Dublin geboren, am 30. November 1900 in Paris gestorben, zählt zu den großen Komödiendichtern der englischen Literatur. Schon beim Studium in Oxford fiel er durch seinen Humor und seinen Scharfsinn auf. Werke: der Roman „The Picture of Dorian Gray“ (1891), die Stücke „Salome (1891), „Lady Windermere's Fan“ (1892), „A Woman of No Importance“ (1893), „An Ideal Husband“ (1895); „De Profundis“ erschien 1905 posthum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.11.2010)

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