Vorsatz Lächeln: Elfriede Irrall

(c) Julia Stix
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Die Schauspielerin Elfriede Irrall erzählt, warum es auf der Bühne um Leben und Tod gehen muss und warum ihre Mundwinkel besser oben bleiben.

Eigentlich ist Elfriede Irrall nicht so leicht aus der Contenance zu bringen. Aber darüber kann sie sich aufregen: Im Programmfolder des Volks-theaters ist sie auf einem Foto zu sehen – zu erkennen freilich ist sie kaum. „Selbst Freunde von mir haben sich gefragt: Ist das wirklich die Elfriede?“ Die Retusche hat da ganze Arbeit geleistet: „Und gerade bei diesem Stück ist das doch total unpassend!“ In der Tat, spielt doch Elfriede Irrall die Maude in „Harold und Maude“, der Liebesgeschichte zwischen einer 80-Jährigen und einem 18-Jährigen.
Seit ihrem Comeback am Wiener Volkstheater im vergangenen Jahr ist Elfriede Irrall zufällig immer in autobiografisch angehauchten Rollen zu sehen. Letztes Jahr spielte sie in „Roses Geheimnis“ eine Frau, die mit ihrem verstorbenen Mann spricht. Ein paar Monate zuvor war ihr eigener Mann, Olaf Scheuring, gestorben. War es da nicht schmerzhaft, ausgerechnet so eine Rolle zu spielen? „Ich hatte das Glück, dass ich das Stück schon in den Hamburger Kammerspielen gespielt habe. Ich habe die Rolle auch mit Olaf erarbeitet damals. Mir war natürlich klar, dass ich meine eigene Situation nicht auf die Bühne bringen konnte, denn dann wäre es eine Tragödie geworden. Und es ist ja eine heiter-besinnliche Komödie.“

Seelenausweg. Das Heitere will sich Elfriede Irrall sowieso nicht trüben lassen. Da nimmt sie sich ein Beispiel an ihrer aktuellen Rolle, an Maude: „Eines ihrer Prinzipien ist, der Welt mit einem Lächeln zu begegnen, nicht mit Verkniffenheit. Ich beobachte es an mir selbst. Ich habe nach wie vor täglich Grund, Trauer über mein Gesicht gleiten zu lassen durch die körperliche Abwesenheit meines Mannes. Aber wenn ich merke, meine Mundwinkel verrutschen, dann versuche ich, vorsätzlich zu lächeln. Denn wenn ich vollends in das Trauergesicht rutsche, dann findet die Seele kaum noch einen Ausweg.“
Auch „Harold und Maude“ ist ein Stück, bei dem Irrall Anleihen an ihrem eigenen Leben nehmen kann. Denn auch sie ist älter als ihr Mann Olaf Scheuring, der Altersunterschied ist allerdings längst nicht so kühn wie auf der Bühne. 15 Jahre trennten die beiden, „das wird heute ja immer häufiger, wobei es immer noch etwas befremdlich ist: Wenn ein Mann 15 oder 30 Jahre älter ist, dann ist das charmant, aber bei einer Frau . .. “ In den 70ern, als Irrall und Scheuring zusammenkamen, war das noch anders. „Ich sah mit 39 noch sehr jung aus, dennoch passierte es uns, dass die Leute in irgendeiner Weise signalisierten, ich wäre die Mutter. Das hat mich schon irritiert, weil ich mir dachte, wie kommen die da drauf, das fand ich schon absonderlich.“
Dass Elfriede Irrall heute wieder Theater spielt, hätte nicht unbedingt so kommen müssen. Denn mit 34 Jahren bekam sie die Sinnkrise. Sie war zwar gerade bei Peter Stein an der Schaubühne Berlin, aber trotzdem plagten sie Zweifel. „Ich stand einmal neben einem Feuerwehrmann während einer Vorstellung, und da sah ich die Abonnenten sitzen, die guckten so von einer Seite zur anderen, wie bei einem langweiligen Tennismatch. Und meine Utopie ist, dass man jeden Tag spielt, als ginge es um Leben und Tod. Das klingt pathetisch und genauso meine ich es auch. Es sollte sein wie bei Artisten, die können sich keine Sekunde Unkonzentriertheit leisten. Wir Schauspieler können viel schummeln, viel mehr als Tänzer oder Musiker, denn wenn wir eine Ungenauigkeit machen, können wir sagen, das ist im Sinn der Figur.“

Freiheitsdroge. Aber mittlerweile weiß Irrall, dass ihr Anspruch eben eine Utopie ist und dass es schon reicht, wenn man den Anspruch zumindest hat. In ihrer Auszeit ging sie unter anderem nach Chile, begann dann an der Berliner Hochschule der Künste zu unterrichten. Dort lernte sie auch Olaf Scheuring kennen, mit dem sie eine Zwei-Personen-Theatergruppe gründete. Sie spielten in Jugendzentren, Pfarren, Spitälern, Gefängnissen. Geld verdiente Irrall mit Fernsehfilmauftritten.
Schließlich hat sie ihren Frieden mit dem Theater gemacht, nur mit einer Sache kann sich die aus Prinzip Freiberufliche nach wie vor nicht anfreunden: der fixen Mitgliedschaft in einem Ensemble. „Diese Art von Freiheit kann auch eine Droge sein. Ich habe mir oft gedacht, wenn ich bei den festen Engagements geblieben wäre, hätte ich mich krank geärgert oder zum Alkohol gegriffen. Denn man muss sich als Schauspieler schon viel zumuten lassen, nicht zuletzt auf dem Regiesektor. Ich habe ganz wunderbare Regisseure kennen gelernt, aber auch solche, bei denen man das Gefühl bekommt, die hätten besser Bildhauer werden sollen und dann eben auf einen Stein draufhauen, bis etwas Interessantes daraus entsteht. Heute lassen sich viele Schauspieler alles bieten, die ganzen Nackedeis, die da über die Bühne stürmen, und man weiß nicht, warum! Abgesehen davon, dass es für die Gesundheit schädlich ist, denn auf der Bühne zieht es immer.“
Ausziehen muss sich Irrall als Maude nicht. Aber sie wird anders aussehen als die Maude aus dem bekannten Film: „Die ist ja eher so gekleidet, wie man es von alten Frauen gewohnt ist, in gedeckten Farben. Unsere Maude ist bunt. Ich finde das manchmal schade, wenn ältere Frauen nur auf Beige oder Braun zurückgreifen. Gerade wenn man viel Schlimmes erlebt hat, kann es einem auch mal helfen, Farbe ins Leben zu bringen.“

THEATERTREND

Liebe im Alter
In Wien sind derzeit gleich mehrere Stücke, die sich mit diesem Thema beschäftigen, zu sehen. In der Josefstadt hat Ulli Maier auf „Kap Hoorn“ eine besondere Beziehung zu einem deutlich jüngeren Mann und in „Ralph und Carol“ verliebt sich Otto Schenk in Christine Ostermayer. In „Banalität der Liebe“ im Nestroyhof Hamakom erinnert sich eine 69-jährige Hannah Arendt an ihre Liebe zu Martin Heidegger. „Harold und Maude“ hat im Volkstheater am 11. 2. Premiere. Ein Zeichen, dass unsere Gesellschaft mit einem Tabu aufräumt? Elfriede Irrall: „Ich hoffe! Aber wenn sich Harold und Maude heute in der U-Bahn küssen würden, ich bin mir nicht sicher, ob nicht die Notbremse gezogen würde.“

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