"Harold und Maude": Jüngling liebt Greisin, süß!

Harold Maude Juengling liebt
Harold Maude Juengling liebt(c) APA/HANS KLAUS TECHT (HANS KLAUS TECHT)
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Thomas Birkmeir inszeniert im Volkstheater einen Klassiker der Seniorenermutigung in bester Besetzung: Elfriede Irrall spielt die alte Dame, Claudius von Stolzmann den jungen Mann. Sehr bunt.

Harold, aus reicher Ostküstenfamilie hat eine Mama, die ihn ständig gängelt, aber nicht wirklich wahrnimmt und schon gar nicht richtig liebt. Also ist der junge Mann auf die Idee gekommen, mit allerlei ausgefallenen Selbstmordversuchen die Aufmerksamkeit der Mutter auf sich zu lenken. Mal sprengt er sich in die Luft, dann schießt er um sich, hackt seine Hand ab oder fackelt sich in einem Sarg im Garten ab. Eines Tages lernt Harold auf dem Friedhof, wo er sich gern aufhält, Maude kennen. Sie feiert demnächst ihren Achtziger, wirkt sehr fröhlich, obwohl sie Grauenhaftes erlitten hat...

Thomas Birkmeir hat im Volkstheater „Harold und Maude“ von Colin Higgins inszeniert. Die Aufführung ist so bunt wie Produktionen des Theaters der Jugend, das Birkmeir leitet. Zu verdanken ist dies dem fantasievollen Bühnenbild von Etienne Plus und den hübschen Kostümen von Stephan Dietrich. Das Stück kam Anfang der Siebziger heraus, die kecken Sixties klingen im Volkstheater immer wieder an. Der Text wirkt leicht aktualisiert, trotzdem ist er nicht mehr taufrisch.


Zudekorierte Abgründe. Heutige Dramen – nicht selten geprägt von Schreibwerkstätten, in denen Autoren das Handwerk lernen können – sind sprachlich schlagfertiger, origineller. Die Aufführung schwänzt überdies Abgründe und Subtext des Dramas: Harold ist vermutlich homosexuell, seine schmerzhafte Identitätssuche führt von der überfürsorglichen, in Wahrheit aber gleichgültigen Mutter zur asexuellen Übermutter. 1998 war das Stück im Akademietheater mit der alles überstrahlenden Gusti Wolf zu sehen. Die Volkstheater-Produktion prunkt mit berückenden Bildern – z.B. erklimmt das ungleiche Paar einen hohen Baum und schwebt auf einer beleuchteten Insel im Schwarzen über dem Bühnenboden. Die Besetzung ist ausgezeichnet. Todernst spielt Claudius von Stolzmann einen jugendlichen Neurotiker, der von der alten Dame in unermüdlicher Penetranz aus seinem No-Future-Gefängnis herausgelockt wird. Den dankbareren Part hat Elfriede Irrall, eine Mischung aus Pippi Langstrumpf als Großmutter und ins Gute gewendeter Hänsel-und-Gretel-Hexe im orangefarbenen Flower-Power-Wetterfleck.

Überaus stimmig: die Musikauswahl. Das Publikum schien sich bei der Premiere am Freitag prächtig zu amüsieren. Obwohl die Geschichte gar nicht so lustig ist, was wohl auch ihren speziellen Reiz ausmacht. Susa Meyer setzt präzise trockene Pointen als Mutter, die sich an die Suizid-Fakes ihres Sohnes gewöhnt hat. Erwin Ebenbauer ist ein boshafter Ordnungshüter, Simon Mantel ein sehr authentischer und nicht ins Lächerliche verzeichneter Pater, Alexander Lhotzky gibt den routinierten, geldgierigen Psychiater.


Niveauvoller Kassenfüller. Harolds Mutter animiert ihren Sohn, sich eine Freundin übers Internet zu suchen: Es erscheinen eine arrogante Politikwissenschaft-Studentin (Annette Isabella Holzmann), eine geschwätzige Sekretärin (Andrea Bröderbauer) und als echter Clou eine irre, angehende Schauspielerin (Stefanie Reinsperger).

Sie erinnert mit ihren Textfetzen aus Klassikern daran, dass es schön wäre, wieder einmal einen zu sehen: und zwar in unbearbeiteter Poesie. Das Volkstheater zeigt zwar „Antigone“, muss aber meist die Kasse füllen, was hier durchaus ansprechend gelang.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2011)

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