"Unbreakable Kimmy Schmidt": Comedy mit Abgründen

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Tina Feys neue Serie handelt von Entführungsopfer Kimmy Schmidt, die nach 15 Jahren Gefangenschaft aus einem Bunker befreit wird. Das ist hochkomisch – und zeitweise sehr schwarzhumorig.

Wolfgang Priklopil habe sich die "Falsche ausgesucht", sagte Natascha Kampusch einmal über ihren Entführer. An diesen Satz muss ich bei "Unbreakable Kimmy Schmidt" oft denken. Zu Beginn der Comedy wird Kimmy Schmidt (großartig: Ellie Kemper) gemeinsam mit drei weiteren Frauen aus dem Bunker eines selbsternannten Weltuntergangs-Predigers in Indiana befreit. Er habe sie in den 15 Jahren ihrer Gefangenschaft nie "gebrochen" sagt Kimmy einmal. Daher das "unbreakable", wie es im Titel heißt. Das klingt sehr ernst und deprimierend, tatsächlich ist "Unbreakable Kimmy Schmidt" eine Sitcom, die einen in gute Laune versetzt.

Kimmy Schmidt ist eine Frohnatur und auf einem Trip nach New York beschließt sie, dort zu bleiben und den Big Apple zu erobern. Lustig ist dabei – vor allem zu Beginn – was Kimmy über die heutige Welt nicht weiß (Smartphones etc.) und wie sie sich oft noch wie ein Teenager benimmt, schließlich war sie erst 14 oder 15, als sie entführt wurde. Im Verlauf der 13 Folgen entwickelt sie aber auch abseits dieses offensichtlichen Scherz-Potentials eine schräge, sehr lustige Seite.

Sucht nach Ruhm

Vom Humor her ähnelt "Unbreakable Kimmy Schmidt" "30 Rock", stammt sie doch von deren Erfinderin Tina Fey und Produzent Robert Carlock. Aber unter der Oberfläche brodelt es. Die Serie vergisst in keinem Moment, dass ihre Hauptfigur 15 Jahre lang gefangen gehalten wurde. Abgründiges wird beiläufig erwähnt: "Yes, there was weird sex stuff in the bunker", sagt Kimmy einmal, ihr schwuler Mitbewohner Titus (Tituss Burgess) fragt aber nicht weiter nach. Dafür ist Titus auch zu selbstbezogen. Er will berühmt werden, während Kimmy versucht, ihrem Ruhm als "mole woman" zu entkommen.

Diese Versessenheit auf Ruhm ist der Schlüssel zum seltsamen, oft unsensiblen Umgang mit der Entführung und lässt die Serie extrem zeitgemäß wirken. Ich kenne keine andere, die dieses Phänomen - frei nach 50 Cent "Get famous or die tryin'" - so auf den Punkt bringt. Schon der Vorspann beschäftigt sich damit: Die Aussage eines Zeugen wird hier – zu einem Rap zurechtgeschnitten und mit einem Beat unterlegt – als eine Art Youtube-Überraschungshit dargestellt. Auch die Opfer werden in diese Logik von Fame und Entertainment eingefügt. Kimmy und Titus geben hier ein großartiges dysfunktionales Paar ab: Die unverbesserlich optimistische Gestrige und der hysterisch aufgeregte Gegenwartsmensch.

Hier sind vor allem die Frauen komisch

Titus ist die wichtigste männliche Figur der Serie. Kimmys romantische Bekanntschaften spielen nur Nebenrollen. In "Unbreakable Kimmy Schmidt" geht es eben vor allem um Frauen. Herrlich komisch ist Jane Krakowski (ebenfalls aus "30 Rock") als völlig unselbstständige und oberflächliche reiche New Yorker Ehefrau. Kimmy arbeitet als Nanny für die Familie, kümmert sich aber weit mehr um die Mutter, die einen Teil ihrer Vergangenheit verheimlicht, als um den Sohn. Weniger gelungen fand ich die Figur der Vermieterin Lilian (Carol Kane), eine ältere Dame, die nebenher Drogen verkauft und mit ihren "Homies" abhängt.

Das ändert sich in der bereits fixierten zweiten Staffel hoffentlich, die dürfte noch bissiger und abgründiger werden. Denn Fey entwickelte die Serie eigentlich für ihren Heimatsender NBC, nachdem der absprang, wanderte "Unbreakable Kimmy Schmidt" zu Netflix. Die Online-Videothek muss weniger Rücksicht auf Fernsehtauglichkeit nehmen. Den lebensbejahenden Grundton – und Kimmys Lebensweisheiten, die oft recht nah am Nonsens sind – darf die Serie gern beibehalten. Nach 13 Folgen zeigt sich: Die Serie wird immer besser. Und abgründiger.

"Unbreakable Kimmy Schmidt" ist auf Netflix zu sehen. Empfehlung wegen der vielen Wortspiele: das englische Original mit Untertiteln.

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