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Louis Hayes: „Joe Zawinul wurde einer von uns“

„Jazz, das ist ein Lebensstil, der glücklich macht!“ Louis Hayes bei seinem Auftritt in Wien.
„Jazz, das ist ein Lebensstil, der glücklich macht!“ Louis Hayes bei seinem Auftritt in Wien.(c) imago/Pacific Press Agency
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Schlagzeuger Louis Hayes, der im Mai 80 wird, ist auf Tournee. Am Rande seines Konzerts erzählte er der „Presse“ über seine Karriere und den Jazz als Lebensstil.

Goldene Ära des Jazz? Natürlich waren die Fünfziger- und Sechzigerjahre der Wahnsinn, weil es so viel musikalisches Talent gab. Vielleicht hatten die Leute intelligentere Ohren? Aber was soll's, man muss sich mit dem abfinden, was jede neue Generation hergibt . . .“

Ein wenig ins Ächzen kommt er schon, wenn er sich erinnert, der Jazzschlagzeuger Louis Hayes, der am 31. Mai seinen 80. Geburtstag feiert. Aber schlecht hat er es auf seiner derzeit laufenden Geburtstagstournee nicht. Mit dem wendigen Trompeter Jeremy Pelt als Bandleader und eleganten Pianisten Danny Grissett hat er zwei Männer auf der Bühne, die sich wohl auch in den Sechzigerjahren gut gemacht hätten, als Hayes groß mitmischte. Vor allem als Begleiter. Als er 18 Jahre alt war, engagierte ihn der ebenfalls aus Detroit stammende Saxofonist und Flötist Yusef Lateef für ein sechswöchiges Gastspiel in Klein's Show Bar. Eigentlich hätte er 21 Jahre alt sein müssen, aber niemand fragte. Lateef selbst war eher wortkarg. Keine Rede von liebevoller Förderung jüngerer Kollegen. „Das war ein Beruf. Du musstest deine sieben Sachen beieinander haben, sonst wärst du sofort gefeuert worden.“

Als ihn dann Pianist Horace Silver in sein Quintett holte, ging es mit der Karriere richtig los. Hayes zog nach New York und sorgte im Studio für den richtigen Rhythmus. Etwa bei John Coltranes Aufnahme von „Lush Life“, das heute als Klassiker gilt. Sternstunden waren auch seine Aufnahmen mit Horace Silver. Mit seinem aggressiven Stil beschleunigte Hayes dessen latinesk-verspielten Hard Bop wesentlich. So war er auf einigen von Silvers Blue-Note-Hits, etwa „Senor Blues“ und „Sister Sadie“, neben dem Leader die treibende Kraft.

Damals entdeckte er auch seine Liebe zu südamerikanischen Rhythmen. Sie konnte er beim Auftritt im Wiener Porgy & Bess gleich im ersten Stück, „Bolivia“, ausleben. Mit viel Lust an der Freud' strapazierte er die Becken, hetzte die Kollegen mit der Basstrommel. „We are on high octane, ready to bring it on a new level“ versicherte der gut gelaunte Bandleader Pelt. In den letzten 20 Jahren hat er immer wieder mit Hayes gespielt. Weil er dessen Karriere gut kennt, hat er ein paar Gustostückerln für die laufende Tournee ausgesucht. Etwa Wayne Shorters resches „Seeds Of Sin“, das Hayes im April 1960 mit aufstrebenden jungen Kollegen wie Lee Morgan und eben Shorter unter dem in den Neunzigerjahren wieder verwendeten Namen „The Young Lions“ aufgenommen hat. Oder das 1962 mit Trompeter Freddie Hubbard eingespielte, immer noch unbeschwert tönende „Happy Times“.

Die positive Kraft des Jazz zeigte sich auch in der epischen Ballade „We Kiss In A Shadow“. Ursprünglich eine Schmonzette aus dem Musical „The King & I“, wuchs sie an diesem Abend zu beinah existenzialistischer Statur. Zart-herb war auch die Lesart von Duke Pearsons „Is That So“: Pianist Danny Grissett kitzelte Klänge aus dem Fazoli-Flügel, wie man sie in dieser Sinnlichkeit selten hört. Der Rest der Kombo swingte nach dem Taktstock des alten Hayes, als hätte die goldene Backhendlzeit des Jazz nie geendet.

Sechs Jahre bei Cannonball Adderley

Ein wenig bedauerlich war bloß, dass Hayes' lange Zeit beim großen Bandleader Cannonball Adderley an diesem Abend nicht gewürdigt wurde. Mit einigem Glanz in den Augen erinnerte sich Hayes nach dem Konzert: „Wir waren wie eine Familie. Und musikalisch entwickelten wir geradezu nukleare Kraft. Besonders nachdem Joe Zawinul dazugestoßen war. Was er machte, war nicht bloß solide, das war außergewöhnlich. Er liebte die afroamerikanische Kultur so sehr, dass er einer von uns wurde.“

Heute hat's der Jazz schwer, selbst in New York gibt es nur mehr wenige Clubs, bedauert Hayes. Seine Berufsentscheidung von 65 Jahren bedauert er keinesfalls: „Ich durfte mit vielen der Größten spielen, aber mein wahres Highlight ist, dass ich meinen Traum leben durfte. Jazz, das ist ja nicht nur ein Musikgenre, sondern vor allem ein Lebensstil. Und zwar einer, der glücklich macht!“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2017)

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