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Frequency Festival: Jahrmarkt für Aufgewärmtes

Highlight eines schwach programmierten Festivaltags: Das Berliner Elektronikensemble Moderat überzeugte mit delikaten Grooves.
Highlight eines schwach programmierten Festivaltags: Das Berliner Elektronikensemble Moderat überzeugte mit delikaten Grooves.(c) APA/HERBERT P. OCZERET (HERBERT P. OCZERET)
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Tag eins bot Heuschrecken für Hungrige, aber mit Billy Talent und The Offspring eher magere Kost für Musikliebhaber. Überzeugt hat das Elektroniktrio Moderat.

So ein Festivalgelände zu betreten, mischt normalerweise selige Erinnerungen mit aktuellem Begehren. Jene, die schon mehr Erfahrung im Jugendlichsein haben, sehnen sich nach den Zeiten zurück, als so ein Musikevent noch ohne Werbespots und schmerzlich ins Auge fallende Sponsoren ausgekommen ist. Die „madness“, die der aufgelegte Festivalguide verspricht, ist fast vollständig in nicht musikalischen Bereichen zu erfahren: etwa beim Verzehr von herausgebackenen Heuschrecken. Sie sorgten für eine Explosion am Gaumen jener, deren Geschmackspapillen von den häufigen Besuchen in Fast-Food-Restaurants schon ziemlich nivelliert sind.

Ein Line-up wie aus dem Schlussverkauf

Für Youngster war es jedenfalls eine ideale Gelegenheit, sich in verwegene Pose zu werfen. Hiesiges und Exotisches mischte sich an den großzügig aufgestellten Fressstand'ln mit einer Eleganz, wie sie in der Musikprogrammierung einfach nicht passieren wollte. Das heurige Line-up wirkt, als wäre es hastig im Schlussverkauf zusammengestoppelt worden. Dabei würde man ja für die aufreizende Zusammenhanglosigkeit noch das Argument der Publikumsoptimierung gelten lassen. Was wirklich schmerzt, ist, dass der Hipnessfaktor gleich null ist. Die Präferenz des Frequency gilt Bands, die schon seit Jahren und Jahrzehnten die Festivals routiniert bespaßen. Innovation, Anarchie und Aktualität zählen nicht.

Sind aber, was selten genug vorkommt, Künstler von dieser Statur gebucht, wie etwa im Vorjahr Sängerin Courtney Barnett und Rapper Anderson Paak, dann müssen diese in einer recht öden Halle aufspielen. Heuer trifft dieses traurige Schicksal die hippen Cloudrapper Rin und Yung Hurn. Trübsinnig mag auch stimmen, dass nach dem Nova Rock nun auch das Frequency auf Fantasiegeld umgestellt hat. Das ewige Anstellen an den Wechselstuben ist kaum auszuhalten. Ärgerlich auch wegen dieses diffusen Gefühls von Entmündigung, das dabei aufkommt.

Jenen, die auf die Drei-Tage-Dröhnung aus waren, hat es vielleicht das Leben erleichtert. Für Sensibelchen ist dieses Festival sowieso nichts. So galt es, das eventuell vorhandene „innere Seicherl“ gleich von Beginn weg zu verstecken. Sonst hätte man sich allein schon vor der Heliumstimme von Bryan (Dexter) Holland, seines Zeichens Heulboje der Pop-Punk-Band The Offspring, gar schrecklich fürchten müssen. Die kalifornische Combo, deren letztes aktuelles Album immerhin auch schon vor fünf Jahren veröffentlicht wurde, startete ihren Gig wuchtig mit „Pretty Fly (for a White Guy)“, einem Spottlied auf die Figur des „Wannabe“. „Now he's getting a tattoo, he's gettin' ink done, he asked for a 13, but they drew a 31“, kreischte Holland da schadenfroh. Das verzweifelte Bemühen um Street Credibility in Form von martialischen Tätowierungen hat ja mittlerweile schon solche Ausmaße angenommen, dass Peckerln längst zum Mainstream mutiert sind. „Friends say he's trying too hard, and he's not quite hip, but in his own mind, he's the dopest trip“, hieß es weiter im munteren Auftakt.

Lasershow und Zen-Buddhismus

Ihr solides Set krönten The Offspring mit dem Mitgrölklassiker „Seven Nation Army“, den einst die White Stripes raukehlig in die Welt der Stadien eingeführt haben. Einen Gang zulegen konnten danach die Kanadier Billy Talent, die eher hochgepitchten Rock als Punk pflegen. Leadsänger Benjamin Kowalewicz verfügt über das nötige Charisma, das auch schwächeren Songs Flügel verleiht. Zum Highlight des Eröffnungstags wurde die nächtliche Performance von Moderat, diesem aus den Klangkombinaten Modeselektor und Apparat fusionierten Elektronikensemble aus Berlin.

„Wir haben die Gitarren zu Hause gelassen. Ich hoffe, es wird trotzdem was mit uns!“, rief Sänger Sascha Ring zu Beginn noch der Menge zu. Mit der Entriegelung ihres Hits „Running“ wurden alle Zweifel hinweggefegt. Die Menge ging so richtig mit. „Meditation, medication, I'm eating the hooks that tear me“, hieß es im angenehm pulsierenden „Eating Hooks“, einem Stück, das versucht, Masochismus und spirituellen Aufbruch zusammenzudenken. Mit geschmackvoller Lasershow, Weisheiten des Zen-Buddhismus und delikaten Maschinengrooves überzeugten Moderat auf der ganzen Linie. Vitalität und Daseinszweifel gingen einmal mehr eine delikate Fusion ein.

FREQUENCY: WAS NOCH KOMMT

Musikfestival. Das seit 2001 stattfindende Festival geht heuer von 15. bis 17. August über die Bühne. Heute, Donnerstag, treten in St. Pölten noch u. a. die britische Folk-Rock-Band Mumford & Sons, der US-Rapper Wiz Khalifa und die Wiener Band Wanda auf. Auf der neu geschaffenen „LOL Stage“ sind zudem Satire-Programme von Maschek und der Tagespresse sowie die österreichischen Magier Thommy Ten & Amélie van Tass zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2017)

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