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Diese Frau zertanzt Panzer

Liedermacherin Bettina Wegner (Archivbild)
Liedermacherin Bettina Wegner (Archivbild)imago/Hogreve
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Klezmore-Festival. Bettina Wegner, die große Tragödin der deutschen Liedermacherszene, sorgte im Ehrbar-Saal für viele nasse Augen.

„Dass ich jetzt 70 Jahre alt bin, soll auch bedeuten, dass ich mich ziemlich schabrackig fühle“, sagte Bettina Wegner, die seit zehn Jahren nur mehr sporadisch auftritt und ihr letztes Wien-Konzert aus gesundheitlichen Gründen absagen musste. Nun stand sie, beinah heiter, eingerahmt von ihren Herzensmusikern, dem Sänger Karsten Troyke und dem Gitarristen Jens-Peter Kruse alias El Alemán, auf der schmucken Bühne des knallvollen Ehrbar-Saals.

Bettina Wegner, Ikone des Widerstands gegen das DDR-Regime, die sich auch in der BRD nie wirklich wohlfühlte, hat ihre Heimatlosigkeit in vielen Liedern thematisiert. Weil sie sich 1968 gegen den Einmarsch der UdSSR in die Tschechoslowakei ausgesprochen hat, wurde sie von der Universität verwiesen und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Nach der Ausbürgerung ihres Freundes Wolf Biermann fand sie kaum noch Auftrittsmöglichkeiten, 1983 wurde sie selbst ausgebürgert. Doch auch die kommerziell orientierte Gesellschaft des anderen Deutschlands war ihr unbehaglich. Plattenfirmen warfen ihr vor, zu traurige Lieder zu schreiben, rieten ihr, sich ein neues Image zuzulegen. Doch sie schaffte es auch ohne große Labels. Ihr berühmtestes Lied „Kinder (Sind so kleine Hände)“ sang sogar Joan Baez nach.

Trotz aller Bitternisse hat sich die Wegner ihren Idealismus, der zuweilen utopisch wirkt, erhalten: „Wenn wir einst Staat und Macht nicht kennen, kann man Freiheit Freiheit nennen; wenn wir dies Leben einmal fänden, ganz fest hielten uns bei den Händen, dann hätten unsere Träume einen Sinn“, sang sie mit unverändert junger Stimme. Das Lied hieß „Wenn alle Menschen“. In ihm wurden Kanonen und Panzer „zertanzt“, wurde die Schicksalsergebenheit der Menschen gegeißelt.

Karsten Troyke, Spezialist für steinalte jiddische Lieder, interpretierte das ergreifende „Der Gezang fin mayn Harts“ im Rhythmus einer lateinamerikanischen Milonga: Schwere Melancholie akzeptiert eben keine stilistischen Grenzen. Das einst auch vom britischen Sänger Donovan interpretierte „Dos Kelbl (Dana Dana)“ brachte er im Duett mit Wegner, zudem wehmütige Roma-Lieder aus Polen und Russland. „Du musst nicht üben für den Schmerz“, hieß es dann in Georg Kreislers „Mein kleines Mädele“.

Behutsam umkreiste die Wegner viele ihrer beliebtesten Lieder von „Alles was ich wünsche“ bis „In einem kühlen Grunde“. Auch Leonard Cohen wurde geherzt: Troyke sang „The Darkness“, Wegner ihre gelungene Übersetzung von „Dance me to the End of Love“, „Tanz mich bis zur Liebe Schluss“, das auch auf ihrer eben erschienenen Werkschau „Was ich zu sagen hatte“ erschienen ist. Um diese Fünf-CD-Box zu finanzieren, habe sie das Geld investiert, das sie eigentlich für ihr Begräbnis zur Seite gelegt hatte, sagte sie mit Galgenhumor. Gut so, jetzt muss sie länger unter uns bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2017)

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