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"Blitz" von Kreisky: Was nun, Wutbürger?

Die Wiener Band Kreisky
Die Wiener Band KreiskyRough Trade
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Die Band Kreisky mit neuen nostalgischen Untertönen.

Dass wütende, radikale Popmusik von der nach neuem Input gierenden Theaterbranche entdeckt und verwendet wird, ist zumindest im deutschen Sprachraum üblich geworden, das ist den Einstürzenden Neubauten genauso passiert wie den Goldenen Zitronen. Unlängst auch dem österreichischen Quartett Kreisky: Es trat live in Sibylle Bergs Stück "Viel gut essen" auf, und sein Sänger, Franz Adrian Wenzl, spielte die Hauptrolle: den kleinen weißen Mann, dessen Welt zerfällt, der daran verzweifelt und zum Wutbürger wird. Er spielte ihn großartig, glaubhaft, er spielte so gut, dass klar wurde, was eigentlich eh schon immer hätte klar sein müssen (bitte um zähen Applaus für diese mühselige Konstruktion): Auch das lyrische Ich in den Kreisky-Songtexten ist eine Rolle. Plakativ gesagt: Dieser Punk ist Theater. Wutbürger-Theater.

"Blitz" von Kreisky
"Blitz" von KreiskyRough Trade

Gestatten eine freche Frage: War das nicht auch schon der exemplarische britische Punk, wir reden von den Clash und ihrem Ruf nach einem "White Riot"? Ist ein Punk so etwas wie ein Wutbürger mit Begabung zur Selbstironie? Einer, der einsieht, dass er zum "Verband der anonymen Loser", zu den "Veteranen der vertanen Chance" gehört, von denen Wenzl singt? Und überhaupt: Ist Punk ohne Nostalgie also ohne Sehnsucht nach dem unwiederbringlich Verlorenen heute überhaupt noch möglich? "Der Lärm und die Mädchen und Wienerwald-Restaurants: Das ist alles weg", singt Wenzl in "Ein Depp des 20. Jahrhunderts". Die Musik dazu klingt für Kreisky ungewohnt funky, als ob sie gleich auch auf Disco zurückblicken wollten. (Dass die Rückschau nicht schmerzlos sein kann, führen Wenzls grelle Keyboardeinwürfe vor Ohren.)

Skikurse! Was war da noch im (nicht ganz so) späten 20. Jahrhundert? Richtig, die Skikurse in Saalbach-Hinterglemm. "Ich danke dem Herrn Vater für vier Wochen ohne Fernsehen und die lebenslängliche Landschaft", singt Wenzl sanft kreischend. Auch hier begleitet ihn die Band geradezu liebevoll, mit einem quicken Shuffle-Beat wie aus den frühen 1980er-Jahren und einer träumerischen Melodie. Zurück zur bösen Persiflage führt gleich das nächste Stück, "Mon G n ral", in dem Wenzl einen von der Sucht nach Echtem, Altem, Wertvollem geplagten Bobo spielt. "120 Gramm Vinyl macht mich krank; 180 Gramm Vinyl ich spritz ab." Ehrlich, das ist Kabarett, das nervt. Natürlich, wir wissen schon, es soll ja nerven. Aber besser sind Kreisky, wenn sie den Hohn in Trauer ertrinken lassen. Wie zum Schluss in "Sudoku". (Rough Trade)

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