Notizen vom Song Contest

Der Song Contest ist gut für die Gesundheit

AUSSTELLUNG VON TEX RUBINOWITZ: ' THE NUL-POINTERS'
AUSSTELLUNG VON TEX RUBINOWITZ: ' THE NUL-POINTERS'APA/HERBERT NEUBAUER
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Vielleicht reicht die schiere Tatsache bereits, bei etwas Großem, vielleicht auch Abstraktem und Grellem, dabei gewesen zu sein, aber das ist beim Fußball vermutlich nicht anders.

Der Eurovision Song Contest, 1956 zum ersten Mal ausgestrahlt, ist das älteste Fernsehprogramm der Welt, er wird alljährlich im Mai von rund 200 Millionen Menschen gesehen. Es gibt leider keine Studie darüber, warum dieses Format immer noch existiert und warum es von so vielen Menschen gesehen wird, aber jetzt sind Wissenschaftler des Imperial Colleges in London dem Grund vielleicht ein bisschen näher gekommen, sie haben nämlich herausgefunden, dass sich selbst schlechte oder armselige Resultate positiv auf die Bevölkerung auswirken, sie waren laut der Studie mindestens 13 Prozent mit ihrem Leben zufriedener als die Bürger derjenigen Länder, die nicht teilgenommen haben. Es besteht also kein Risiko für die öffentliche Gesundheit, daran teilzunehmen, da sogar eine schlechte Leistung besser wäre als eine komplette Abwesenheit vom Wettbewerb.

Vielleicht reicht die schiere Tatsache bereits, bei etwas Großem, vielleicht auch Abstraktem und Grellem, dabei gewesen zu sein, ist schon Wohlfühlfaktor genug, ein staunendes Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen, aber das ist beim Fußball vermutlich nicht anders.

So könnte man dann retrospektiv auch all die sogenannten Nullpunkter des ESC trösten, grämt euch nicht, ein bisschen sorgt ihr dann doch für ein wärmendes Gruppendenken, und sei es, dass man kollektiv schimpfen kann, das scheint offenbar auch eine Energie zu sein, die man positiv umkonnotieren kann.

Portugal ist in seiner Geschichte der 50 Teilnahmen am ESC bekanntlich einmal Sieger geworden, und hatte zwei Nullpunkter (1964, 1997), Österreich hat 51 mal teilgenommen, und ist, auch das ist hinlänglich bekannt, zweimal Sieger geworden, aber hatte dafür vier Nuller zu verbuchen (1962, 1988, 1991, 2015), aber hier kommt verschärfend hinzu, und das ist in der Geschichte des Bewerbs einmalig, dass 2015 der Gastgeber sozusagen bestraft wurde, das hat etwas von einer unfreundlichen, flegelhaften Art, man wird bei jemandem eingeladen, lässt sich bewirten und dann geht man ohne Dank, ich weiß nicht, wie die Make Makes (Meckmecks) mit ihrem brennenden Klavier das getragen haben, ob mit Fassung, Amüsiertheit oder mit einem Trauma, aber ich glaube, dass, wenn sie nicht allzu pathetisch waren oder sind, eher die Solidarität als den Spott der vom Volk ausgegangen ist, gespürt haben müssen.

Anders war das bei Thomas Forstner 1991, der mit „Venedig im Regen“ unbedankt und unbepunktet aus Rom heimkehrte, er hat sich komplett von der Musik zurückgezogen, das Kapitel geschlossen und ist abgetaucht und hat gerüchteweise in einer Zoohandlung gearbeitet, Hamsterräder und Sittichfutter verkauft. Die Häme war groß und das Mitleid klein, aber das ist vielleicht eine österreichische Eigenheit, und es kann sein, dass die Bevölkerung daraus etwas Positives zu generieren imstande ist, so wie auch nach dem legendären 0:1 gegen die Färöer Inseln, als Toni Polster noch vor dem Spiel höhnte, dass man den Färingern die Zipfelmützen herunterziehen würde, das groteske Resultat hat die Leute nicht traurig gemacht hat, sondern in staunender Verblüffung irgendwie geeint, vielleicht auch in der Erkenntnis, wir sind nun einmal Fußballzwerge, und der noch kleinere Zwerg hat uns diese Tatsache einfach schmerzhaft bewusst gemacht, und dass Demut vielleicht manchmal angebrachter ist als Hohn. Irgendwann kommt dann vielleicht aus heiterem Himmel auch mal ein Sieg, wenn Hoffen und Bangen nichts nutzt, nutzen Hohn und Spott noch weniger. Trotzdem, nehmen wir vom ESC 2018 einfach ein Gefühl mit, dass es stattfand. Was da stattfand, ist zweitrangig.

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