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Aretha Franklin ist tot: Das Ende einer ganz Großen

Publicity photo of Aretha Franklin wearing a form fitting pencil dress circa 1962 File Reference
Publicity photo of Aretha Franklin wearing a form fitting pencil dress circa 1962 File Referenceimago/Cinema Publishers Collecti
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Ein Leben lang verwandelte sie Rhythmen und Melodien, die sie von klein an aus der Kirche kannte, in ganz persönliche, dramatisch-melancholische Soulsongs. Nun ist die Queen of Soul im Alter von 76 Jahren gestorben.

"This song was written by yours truly", murmelte Aretha Franklin und griff sich ans Herz. Die Streicher sendeten glühende Noten, der Pianist tändelte mit gebrochenen Akkorden. „Who was squeezing you?“, fragte die Queen of Soul noch. Ja, wer hat einen gedrückt, damals im Jahr 1970, als Franklin diesen magischen Song namens „Call Me“ aufgenommen hat? Immer wieder sang sie an diesem Abend, 2009 in der Radio City Music Hall in New York, die Zeile „My dearest, my dearest of all darlings, I know we have to part.“ Mal flehentlich, dann wieder voller Trotz.

Dieses Lied, eine Ode an einen Abschied, von dem man nicht weiß, ob er nicht für immer ist, ist vielleicht das schönste, was sie jemals komponiert hat. Jetzt, wo Aretha Franklin nach langem Leiden, begleitet von ihrer Familie, zuletzt besucht von großen Kollegen wie Stevie Wonder, dem Krebs erlegen ist, fällt es einem in der Trauer über das Ende einer ganz Großen ein.

Und man erinnert sich, wie gebannt, ja: hypnotisiert die Menschen 2009 bei Aretha Franklins Auftritt in New York waren. Immer noch funktionierte die goldene Formel von Aretha Franklin: die stimmgewaltige Säkularisierung des Gospel.

Rhythmen aus der Kirche

Ein Leben lang verwandelte sie Rhythmen und Melodien, die sie von klein an aus der Kirche kannte, in ganz persönliche, dramatisch-melancholische Soulsongs. Ihr Repertoire war riesig. Und doch stammten die meisten ihrer Klassiker aus der Zeit beim Label Atlantic, wo sie ab 1967 mit Jerry Wexler in den Muscle Shoals Studios in Alabama und teilweise in New York aufnahm: innerhalb von acht Jahren 14 Alben, die fast alle zu Klassikern wurden.

Geboren wurde Aretha Franklin 1942 in Memphis als Tochter des in den ganzen USA bekannten Baptistenpredigers Clarence LaVaughn Franklin; Plattenproduzent John Hammond, der auch Billie Holiday und Bob Dylan entdeckt hatte, brachte sie bei Columbia Records unter, wo sie ab 1961 mehr als ein Dutzend Alben zwischen Jazz, Blues und Easy Listening aufnahm. Erste leichte Soulsongs wie das zart groovende „One Step Ahead“ waren auch darunter. Der erste gemeinsame Song mit Wexler war „I Never Loved A Man (Like I Love You)“ war der erste gemeinsam Song. Nach der Aufnahme waren die Musiker trunken vor Glück. Sie tanzten miteinander. Jeder war stolz darauf, Teil dieser Aufnahme zu sein. Und jeder wusste, dass ein neuer Star geboren war.

"Respect": Feministischer Stolz

Mit dem ersten Album auf Atlantic wurde sie zum Weltstar. Wohl auch, weil sie nicht nur Liebeslieder sang. Ihre wilde Version von Otis Reddings „Respect“ drückte ethnischen, aber auch feministischen Stolz aus. Ihre Singles verkauften jetzt mehr als eine Million Stück. Die thematische Spannweite reichte von sexuell aufgeladenen Songs wie „Dr. Feelgood“ und „Rock Steady“ bis zu sublimen Balladen wie „Daydreamin'“ und „Angel“.

Ab Mitte der Siebzigerjahre gingen ihre Verkäufe zurück und sie probierte neue Produzenten aus. Die Zusammenarbeit mit Quincy Jones und mit Curtis Mayfield war fruchtbar. Die mit Lamont Dozier brachte nur Durchschnittliches aus ihr hervor. Als Ikone galt sie auch ihren Kollegen. Der bedeutende Soulkomponist George Jackson widmete ihr „Aretha, Sing One For Me“; der Steely-Dan-Sänger Donald Fagen, der sich in „Hey Nineteen“ in einen alternden Playboy verwandelte, klagte singend, dass sein junges Gspusi nicht wisse, wer Aretha Franklin sei: „She don't remember the Queen of Soul. She thinks I'm crazy, but I'm just growing old.“

Letzte Großtaten in den 1980ern

Zum alten Eisen wollte Franklin nie gezählt werden. Sie wechselte 1980 flugs die Plattenfirma und nahm mit Luther Vandross, dem hippsten Soulsänger jener Ära, zwei fantastische Alben auf. „Jump To It“ und „Get It Right“ hüpften beide freudig in die Charts. Das war 1982 und 1983. Es waren leider Franklins letzte Großtaten. Der 1980 gedrehte Film „Blues Brothers“, in dem Franklin eine saloppe Kellnerin spielte, ebnete ihr den Weg zum Mainstream-Publikum. Sie kam auf den Geschmack. Und so nahm sie ab Mitte der Achtziger eine Reihe grottiger Kommerzalben auf, die sich millionenfach verkauften. Dagegen ließ sich schlecht argumentieren.

Die hochdekorierte Sängerin lebte ein Jet-Set-Leben ohne Jet. Eine späte entwickelte, aber tief sitzende Flugangst reduzierte ihren Aktionsradius. Die Freedom Medal, zahlreiche Ehrendoktorate und nicht weniger als 20 Grammys prasselten auf sie ein. Überdies sang sie sowohl bei der Inaugurationsfeier von Bill Clinton wie der von Barack Obama. Privat war alles eher schwierig. Die vierfache Mutter hatte, wie viele ihrer Kolleginnen, einen fatalen Hang zu Männern, die sie nur temporär glücklich machten. Das war die Kehrseite ihrer großen Karriere. „Man hat mich Diva, Queen Diva und Diva Supreme genannt. Ich liebe diese Bezeichnungen. Ich nehme sie als ultimatives Kompliment“, sagte sie in ihrer Autobiografie „From These Roots“. Der Liebe ihrer Fans kann sie sich über den Tod hinaus sicher sein. Vielleicht war ihr das in ihren letzten Stunden ein kleiner Trost.

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