Pop

Der Heilige des Willi Resetarits

Kurz vor seinem Siebziger in Hochform: Willi Resetarits im Wiener Stadtsaal.
Kurz vor seinem Siebziger in Hochform: Willi Resetarits im Wiener Stadtsaal.(c) Heinz Grabner
  • Drucken

Mit seiner Stammkombo Stubnblues stellte Willi Resetarits zwei neue Tonträger im Wiener Stadtsaal live vor. Darunter eine Hommage an den großen Dichter H. C. Artmann.

Die Initialen H. C., mit denen Dichter Artmann berühmt wurde, sind zuletzt von einem Politiker usurpiert worden, der eher unpoetisch durchs Leben geht. Obwohl selbst nicht gerade unpolitisch zu nennen, ging es Willi Resetarits mit seiner famosen Stubnblues-Band an diesem Abend aber vorrangig um die Poesie. Er verehre Artmann wie einen Heiligen, murmelte er noch, bevor seine Musiker die Instrumente zur Hand nehmen konnten. Es galt, die beiden neuen Doppelalben von Resetarits zu zelebrieren. Eines davon ist eine Hommage an H. C. Artmann. Dessen Dialektdichtung hat recht aus den engen Grenzen der Buchdeckel herausgefunden. Schon 1966 vertonte Ernst Kölz Artmann-Gedichte, die dann Helmut Qualtinger unvergleichlich interpretiert hat. Das „Schwarze Lieder“-Album gilt zu Recht als die beste „Austropop“-Scheibe.

Reisen in eine liebenswerte Gegenwelt

Dies wohl wissend, fantasierten Resetarits und seine Stubnblues-Kompagnons Stefan Schubert und Herbert Berger in den letzten Jahren Artmanns dunkler Poesie manch erstaunliche Melodie hinzu. Herrlich mild verlockte dann der Opener „Da r Abrüü“ zum sanften Mitschaukeln. Wie hypnotisiert fuhr man mit ihm und der behutsam agierenden Kombo mit den Straßenbahnen 38, 47 und 71 („Liad da r ochtadreiska“), schlenderte ziellos durch die „Brodaschbiaglgalarii“ und ließ sich im nachdenklichen „Wos e aum Schdaahof darad“ sogar in die Nervenheilanstalt einliefern, um zu sinnieren, was man dort so alles anstellen könnte. Was für eine schöne Reise in eine Gegenwelt, in der alles liebenswert verwunschen schien. Einzig der Rückgriff auf das herrlich patscherte Liebeslied „Aum eaxtn is s ma r one dia“ missglückte. Die Melodie, die sich Resetarits dafür erfand, funktioniert um vieles schlechter als jene, die Ernst Kölz einst für Qualtinger ersann. Außerdem fehlt Resetarits etwas, das Qualtinger so auszeichnete: etwas ganz natürlich Maliziöses, das im Wienerischen auch in zärtlichen Szenarien stets mitschwingen sollte.

Im zweiten Teil nahmen Resetarits und Freunde richtig Schwung auf. Mit einem von ihm „Pepperlbier“ (Achtung: alkoholfrei!) genannten Getränk in Händen sang Resetarits das swingende „I hob mein Kopf valuan“. Die Bläsersektion spielte jetzt hochtourig, Schubert solierte glühend an den E-Gitarren, der Herr Willi schrammelte auf einer Ukulele. Ein Highlight war eine erhaben verrutschte Version des Neville-Brothers-Soulhits „Yellow Moon“, bei der sich Resetarits auch ins Falsett verirrte. Dann französelte er gar auf den Spuren von New-Orleans-Legende Dr. John: „Laissez les bons temps rouler“.

Besonders innig waren Covers internationaler Folk-Klassiker. Etwa John Martyns „May You Never“, das Resetarits als „Niemois soisd“ einwienerte, und natürlich der Lindisfarne-Hit „Meet Me on The Corner“, der als „Floridsdorfer Bahnhof“ ans Ohr pochte. Die vom Salzburger Stefan Schubert gesungenen Lieder waren insofern erfrischend, als sie eine andere Art Raunzigkeit vorstellten. Davon gibt es bekanntlich so viele Arten, wie es Wiener gibt. Willi Resetarits ist kurz vor den Feierlichkeiten zu seinem Siebziger in Hochform. Es möge so bleiben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.