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Grönemeyer singt auch Türkisch: Das Album zur Lage der Nation

Vielfalt war für Grönemeyer schon immer normal. "Da waren wir stolz drauf!"
Vielfalt war für Grönemeyer schon immer normal. "Da waren wir stolz drauf!"(c) Imago
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Herbert Grönemeyer beschäftigt der Rechtsruck in Deutschland und das Hassgeschwätz im Netz. Sein neues Album "Tumult" birgt die eine oder andere Überraschung.

Herbert Grönemeyer gilt seit Jahrzehnten als Stimme Deutschlands. Dabei wollte er ursprünglich gar nicht Musiker werden - "eher Fußballer oder Gebrauchtwagenhändler". Am Freitag erscheint sein neues Album "Tumult" - und tatsächlich gab es schon im Vorfeld gab es einiges Aufsehen. Denn wie in seinem Album "Chaos", das 1993 erschien, geht es um die Stimmung in Deutschland. Inspiriert habe ihn sein Leben, seine Gedanken "und die Zeit, in der wir uns befinden, diese sehr nervöse, unruhige Zeit", wie er sagt. Das Erstarken von Rechts, das Hassgeschwätz im Netz, das Schüren von Ängsten, all das beschäftigt Grönemeyer. Ein Album zur Lage der Nation also.

Natürlich mache man sich Sorgen, wo das alles hinführe, sagt Grönemeyer. Doch gleichzeitig glaube er, "sind wir auch stabil und erwachsen genug, uns dem zu stellen." Das vielleicht überraschendste Stück auf der Platte ist "Doppelherz / Iki Gönlüm", in dem Grönemeyer einige Passagen auf Türkisch singt. Darauf sei er auch bei einer Lesung für den damals noch inhaftierten Journalisten Deniz Yücel gekommen. "Da habe ich auch Türkisch gelesen. Und dann haben alle gesagt: Oh, das kannst Du ja recht ordentlich!"

Im Song geht es um die Sehnsüchte der Menschen, ob nach dem nächsten Urlaubsziel oder der zweiten Heimat. Unterstützung bekommt er bei "Doppelherz / Iki Gönlüm" von BRKN, einem jungen Rapper aus Berlin-Kreuzberg - eine Kooperation, die gut aufgeht.

Aufgewachsen in Bochum, als Kind des Ruhrgebiets, ist die Vielfalt für Grönemeyer schon immer normal gewesen. "Da waren wir stolz drauf!". Er sei mit Kindern aus Griechenland, der Türkei oder Polen in die Schule gegangen oder habe Fußball gespielt, während die Väter die Kohle aus der Wand geholt, den Stahl gepresst und das Wirtschaftswunder vorangetrieben hätten.

Doch bekanntermaßen kam es anders: Neben Stationen im Theater und einer Rolle im Kinoepos "Das Boot" versuchte er sich zunächst erfolglos als Sänger. Dann kam "4630 Bochum", die Platte wird 1984 das erfolgreichste Album des Jahres. Einen Schicksalsschlag erlebt er 1998, als innerhalb weniger Tage erst der Bruder und dann seine Frau an Krebs sterben. Grönemeyer zieht sich zurück, verarbeitet seine Trauer auf dem Erfolgswerk "Mensch". Weitgehend unbehelligt wohnt er in den Folgejahren mit seinen beiden Kindern in London. Jetzt hat er längst wieder einen Wohnsitz in Berlin. Seit einigen Jahren ist er glücklich verliebt und inzwischen auch wieder verheiratet.

Wieder ein schlichtes Liebeslied

"Bist Du da, wenn zuviel Gestern droht, wenn wir verrohen, weil alte Geister kreisen" fragt er nun in dem Widerstandslied "Bist Du da". Und: "Kein Meter nach Rechts, Verständnis ist nie schlecht", heißt es in "Fall der Fälle". Doch auch wenn "Tumult" ein durchwegs politisches Album ist, hat es auch etwas Leichtes und Unbeschwertes. Mehrere Songs beschäftigen sich mit dem Glück und der Liebe. So ist "Mein Lebensstrahlen" in seiner Schlichtheit eines der schönsten Liebeslieder, das Grönemeyer je geschrieben hat. Und "Sekundenglück" dreht sich um die unerwarteten und überraschenden Momente des Glücks, von denen man bisweilen überrumpelt wird.

So vielfältig das Album thematisch daherkommt, so vielfältig ist auch der Sound. Die insgesamt 16 Songs (plus zwei Bonustracks) bedienen sich unterschiedlichster Stile. Eine Bandbreite, die zumeist überzeugt.

Die Chancen stehen sicher nicht schlecht, dass Grönemeyer mit "Tumult" an seine ungeheure Erfolgsserie anknüpfen kann. Seit mehr als drei Jahrzehnten landeten alle seine deutschsprachigen Studioalben auf Platz eins der Charts. Steigt angesichts eines solchen Erfolgs der Druck vor der neuen Platte - oder wird man gelassener? "Nö. Ich spiel schon auf Sieg. Alles andere ist Quatsch", sagt Grönemeyer und lacht. "Wenn ich aufs Spielfeld gehe, will ich auch ein Tor machen. Jetzt habe ich wieder den Ball zum Freistoß hingelegt und dann hoffe ich, dass der oben in den Winkel geht."

(APA/dpa)

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