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Ron Carter im Porgy & Bess: Ein Allerseelenabend des Jazz

US jazz legend bass and composer Ron Carter L and his Golden Striker Trio perform during the 38th
US jazz legend bass and composer Ron Carter L and his Golden Striker Trio perform during the 38th(c) imago/Agencia EFE (PEPE TORRES)
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Bassist Ron Carter beherzigt in seinem stillen Jazz, was sein Weggefährte Miles Davis einst vom französischen Existenzialismus gelernt hat: den eigenen Weg im Gehen zu finden. Ein intimer Abend.

Grauer Anzug und orangefarbenes Stecktuch – hinter diesem soliden Habit verbarg sich Bassist Ron Carter. Ganz abgesehen von seiner stets piekfeinen Aufmachung ist dieser Mann eine Nobilität. Er wird zur Jazz Royality gezählt, obwohl er auch bahnbrechende Aufnahmen in Bossa Nova, Soul und sogar Hip-Hop machte. Im Jazz spielte er auf legendären Alben wie Eric Dolphys „Out There“, Herbie Hancocks „Maiden Voyage“ und Miles Davis' „Nefertiti“. Auf über 2500 Alben hört man ihn. Vor wenigen Jahren begann er, diese nachzukaufen, weil er seinen Enkeln zeigen will, was der Opa so leistete.

Carter spielte in vornehmsten Häusern und in wüstesten Jazzclubs. Er weiß, dass Jazz auch ein Ringen mit Umgebungsgeräuschen sein kann. Vor allem in Clubs. Klirrende Gläser in Reihe vier, ein Räusperer in Reihe eins, irgendwo hinten das Quietschen der Klotür – Carter begegnet diesen Interventionen der Realität in die Tonkunst höchst gelassen. So auch im knallvollen Porgy & Bess, in das er mit seinem Foursight Quartet kam, um den Verblichenen des Jazz Reverenz zu erweisen. Natürlich auch seinem ehemaligen Bandleader Miles Davis, der dem Jazz ganz neue Möglichkeiten erfand, indem er das Virtuosentum daraus verbannte. Dafür war er vom französischen Existenzialismus inspiriert, schließlich hatte er 1949 Juliette Gréco in Paris kennengelernt. Mit seinen uferlosen Improvisationen praktizierte Miles Davis das, was Jean-Paul Sartre geboten hatte: sich auf seinem Weg unablässig neu zu erfinden.

Als das Solo immer leiser wurde

Ron Carter stand Davis dabei viele Jahre als Weichensteller in dessen Quintett zur Verfügung. Mit seinen subtilen Einschüben erdete und ordnete er das Hochfliegende der anderen Solisten. Seine eigenen Soli neigen immer noch mehr der Stille als der haltlosen Expression zu. Damit scherzte er im Porgy sogar, als er ein immer leiser werdendes Solo spielte, dann kaum merklich die Finger weg von den Saiten nahm, aber noch Spielbewegungen machte. Die Musik brummelte in den Köpfen weiter, obwohl er gar keine Töne mehr erzeugte. Ein Zaubertrick!
Das Gegengewicht zu Carter war die ebenso sensible Pianistin Renee Rosnes. Mit verschleiertem Blick sendete sie ihm bald dichte impressionistische Läufe, bald blühte sie in kunstvollem Verklingen auf. Ein Highlight war die intensive Interpretation von „My Funny Valentine“, einem Lieblingsstück von Miles Davis, das Carter bereits 1964 mit ihm aufnahm. Zärtlicher Klavieranschlag und singende Flageolett-Klänge betörten. Carter beendete das Stück, indem er John Coltranes „A Love Supreme“ zitierte.

Mit dem Blues „Nearly“ erinnerte das Quartett an die kürzlich verstorbene Pianistin Geri Allen, mit dem lebhaften „You And the Night And the Music“ an Chet Baker, den Antipoden von Miles Davis, mit dem Carter auch spielte. Die wohl selbstreferenzielle Bossa-Nova-Nummer „Mr. Bow-Tie“ (Carter trug oft Mascherln) zerquetschte ein paar Tränen Richtung Antonio Carlos Jobim. Ja, auch mit ihm hat Carter aufgenommen. Standing Ovations!

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