Pop

Jason Mraz und Romantik ohne Beipackzettel

Jason Mraz
Jason Mraz(c) imago/ZUMA Press (Daniel DeSlover)
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Der populäre US-Sänger präsentierte sein sechstes Album „Know.“ im prall gefüllten Wiener Gasometer.

„Ich entscheide mich für die Liebe, für die Menschlichkeit“, piepste die Sängerin des im Vorprogramm aufspielenden Berliner Duos Berge. Drei Tage nach dem Macho-Gehabe des Wahlberliners RAF Camora nun also eine Friedensbotschaft aus Deutschlands Hauptstadt. Und leider, sie tat weh, weil sie gar so platt wirkte. Mit Kinderxylofon und Akustikgitarre behübschten Sängerin Marianne Neumann und Saitenstreichler Rocco Horn altruistische Sentenzen, die aus dem Siebzigerjahre-Parteiprogramm der Grünen stammen könnten.

Ganz anders konstruiert sind Jason Mraz' Beschwörungen einer heilen Welt. Er verzichtet auf allen Zinnober. Sein amerikanischer Pragmatismus sagt ihm, dass Ideale im Grunde Utopien bleiben sollen. Und so flirtet er auch explizit mit Ironie. Musikalisch hausen seine Lieder im wohltemperierten Bereich zwischen Soul, Folk und Reggae; früher hätte man ihn unter Softrock rubriziert. Gesanglich erinnert er an Al Stewart, der in den Siebzigerjahren hochmelodiösen Pop für milde Charaktere produziert hat. Mraz ließ von seiner achtköpfigen Band aber nicht nur Wohlklang produzieren. Gitarristin Molly Miller etwa durfte vorzeigen, wie schmutzig man mit manikürten Fingern Gitarre spielen kann.

Zwei wie Käse und Nudeln

Es hob mit dem Opener des aktuellen Albums, „Know.“, an. Das Lied, in das Mraz live kunstvoll ein paar Seufzer einbaute, heißt „Let's See What the Night Can Do“. Ein guter Gedanke, wird doch der Mensch in der schwarzen Luft sozial durchlässiger. Ist die Sonne verschwunden, fällt der Panzer, den die Tagesgeschäfte fordern; zwischenmenschliche Bedürftigkeiten lodern auf. „I wanna get lost with you and see what's it's like to spend the whole night with you“, hieß es da. Ganz was Neues. Mraz, ein Meister der romantischen Verklärung, erläutert praktisch nie die Bedrohung, die damit langfristig auf einen zukommen kann. Für die Nebenwirkungen von Romanzen, die seine sanfte Musik befördert, übernimmt er keine Haftung. Das focht seine vielen weiblichen Fans nicht an. Munter sangen sie seine liebesnärrischen Texte mit. Besonders intensiv bei seinem bisher größten Hit, „I'm Yours“.

Doch am schönsten war das funky interpretierte „Unlonely“, mit einem lukullischen Argument für Verpartnerung: „I think we could be bigger than cheese and macaroni.“ Für Feinschmecker waren auch die ausgewählten Instrumente: Cello, Nylonsaitengitarre, Sitar. Für „Good Vibes“ ist diesem Mann nichts zu teuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2019)

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