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Bon Jovi im Stadion: So plebiszitär kann Rockmusik sein

Bon Jovi am Mittwochabend in Wien.
Bon Jovi am Mittwochabend in Wien.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Ein Bett aus Rosen, schlichte Melodien und viele, viele Hände: Die massentauglichste aller Bands zog im Wiener Prater alle Register.

Auf den Videowänden züngelten die Kerzen, im Publikum strahlten die Handy-Lampen, die längst die Rolle der Feuerzeuge übernommen haben, und Sänger Jon Bon Jovi (eigentlich: John Francis Bongiovi), die Stimmbänder arg strapazierend, doch von etlichen im Publikum singend oder wenigstens murmelnd unterstützt, träumte davon, das Objekt seiner Begierde auf ein „Bed of Roses“ zu legen: So gut wie alle Anwesenden im Wiener Stadion mühten sich nach Kräften, das zu beschwören, was sie sich unter Rock-Romantik vorstellen. Eine Frau sogar, indem sie mit dem Sänger auf der Bühne eng tanzte; dieser, ganz Gentleman, machte keine Anstalten, sie zu betten, sondern verabschiedete sie mit Handkuss. Ein paar Songs davor, in „Keep The Faith“, bat Jon Bon Jovi um Vergebung, alle gelobten einander die Treue, und als der Gitarrist im Solo die höchsten Töne suchte und fand, sah man auf den Videowänden goldenen Regen fallen . . .

Ja, das ist Stadionrock; man kann ihn mögen oder verachten, er hält sich. Bon Jovi haben ihn Mitte der Achtzigerjahre perfektioniert, indem sie aus dem klassischen Hardrock alles herausfilterten, was verstörend, mehrdeutig, anstößig oder unsauber wirken könnte, und indem sie das aufbliesen, was auch in akustisch ungünstigen Stadien, trotz Hall und Bierstandgeplauder, eine Masse zu euphorisieren imstande ist.

Vor allem schlichte, eingängige Refrainmelodien. Die klingen wie Hymnen von Fußballvereinen oder wie Chöre der Anhänger eines spirituellen Wunderheilers. Zu „Lay Your Hands On Me“ nahm das Bühnenvideo passend die Form von gotischen Kirchenfenstern an (zentral darauf das Logo der Band: ein Schwert mit Flügeln, das in ein Herz stößt), während Jon Bon Jovi ins Publikum stieg, wohl um Einzelsegnungen vorzunehmen.

Um ewiges Leben gehe es nicht, hieß es in „It's My Life“, sondern ums Hier und Jetzt:„I just want to live while I'm alive, my heart is like an open highway, like Frankie said: I did it my way.“ Sah man da Tränen im Auge des Sängers? Oder war's nur die Anstrengung, mit der er die Töne presste? Man hat bei Jon Bon Jovi jedenfalls immer den Eindruck, dass er selbst gerührt ist. Zynisch ist dieser auch schon 57-jährige Mann aus New Jersey nicht; und auch wenn er fast die gleiche Frisur hat wie Mick Jagger, dessen selbstironische Rollenspiele wären nichts für ihn. Er meint's, wie er's singt, und den Leuten gefällt's: Freudig winken und wacheln sie mit den Armen, wie er es vorgibt. „Raise Your Hands“ hieß schon der zweite Song des Abends, man könnte von plebiszitärer Rockmusik sprechen.

Bei „Runaway“, dem ersten Hit der Band, bestand Jon Bon Jovi auf mehr Begeisterung, sonst konnte er wohl zufrieden sein. Bei der Zugabe, dem monströs schmalzigen „Livin' On A Prayer“, zog er noch einmal alle Register: „Oh, we've got to hold on, ready or not, you live for the fight, when it's all that you've got, woah, we're half way there.“ Nach solchem Zuspruch fiel der Heimweg leicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2019)

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