Song Contest: Das Siegerlied aus der Schublade

(c) APN (Joerg Sarbach)
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Ihm sollte Song-Contest-Gewinnerin Lena Meyer-Landrut danken: dem Dänen John Gordon. Von ihm stammt der Song, mit dem sie gewann.

Starallüren sind John Gordon fremd. Er könnte auf Wolke sieben schweben, weil er „Satellite“ geschrieben hat, das Lied, mit dem Lena Meyer-Landrut am Samstag in Oslo triumphierte. Doch er ist sich nicht zu gut, eine ihm unbekannte Nummer zurückzurufen, weil sein Handy besetzt war: „Hey, hier ist John. Du hast angerufen?“, fragt er.

Und beantwortet die erste Frage des Anrufers – „Wie fühlt man sich als eigentlicher Eurovisions-Sieger?“ – nach einer kurzen Nachdenkpause: „Surreal, aber im Grunde fantastisch.“

Dies ist die seltsame Geschichte eines Liedes, das zwei Jahre lang in der Schublade lag und nun Europa erobert hat. So wenig wie Lena ins Schema der aufgedonnerten Grand-Prix-Diven passt, so wenig gleicht der 43-jährige Däne den schillernden Typen, die sonst die Producer-Szene beherrschen. John Gordon sieht eher aus wie der Elektriker, der auf der Bühne eine ausgebrannte Birne auswechselt. Bei der Rückkehr aus Oslo in seine Heimatstadt empfingen ihn keine Fanscharen, sondern zwei seiner drei Töchter. Er hat ein kleines Musikstudio im Dörfchen Beder bei Århus, wo seine amerikanische Frau Ariana einen Blumenladen betreibt. Er träumt nicht von einer Villa in Kalifornien, auch wenn jetzt bald die Tantiemen fließen werden. „Nein, ich bleibe auf meinem Hocker und schreibe weiter Lieder für die Kommode.“ Bis sie einer findet.

Seit bald 15 Jahren ist der Däne im Geschäft. Er betreute erfolgreiche dänische Bands und einige internationale Stars, wie Rihanna und Beyoncé. Zuletzt komponierte er vor allem für den angelsächsischen Markt, gemeinsam mit der US-Musikerin Julie Frost. Sie macht die Texte, er formt sie zurecht, dann kommt die Melodie als Gemeinschaftsproduktion dazu.


Schon 2008 haben sie „Satellite“ kreiert. Dann lag die Nummer im Archiv der Plattengesellschaft EMI, bis die Produzentenfirma Iceberg sie ausgrub, als Deutschland den „Star für Oslo“ suchte. „Ich wusste, dass das Lied unter denen war, die für das Finale ausgesucht wurden“, aber dass es gewinnen würde, habe er nicht geglaubt. Weshalb er nicht nach Köln fuhr, sich die Show nicht einmal im Fernsehen ansah.

Und wäre es damals nach Lenas und Stefan Raabs Willen gegangen, dann wären sie mit „Love me“ nach Oslo gefahren, einem Song, den Raab selbst komponiert hatte. Doch das Publikum wollte es anders. „Dass mein Lied gewann, erfuhr ich erst spätabends durch einen Anruf“, sagt er. Später konnte er das eigene Lied kaum wieder erkennen, denn Julie Frost hatte es soulig gesungen, Lena „im Kate-Nash-Sil“. Das klang anders, aber gefiel ihm letztlich „auch prima“.

Und Lena? „Der Erfolg gehört ihr, sie ist wahnsinnig charmant.“ Getroffen hat er sie erst im Tourbus auf dem Weg vom Hotel in die Arena, eine halbe Stunde vor dem Finale. „Sie sagte, dass sie das Lied mag und ich sagte, dass ich mag, wie sie es singt.“ Platz in der VIP-Lounge gab es für ihn allerdings keinen, er musste mit einem Klappstuhl im Publikum vorliebnehmen. Was seiner Freude keinen Abbruch tat, als sich der Sieg abzeichnete. „Seltsam“ sei das gewesen, „ich hatte das nicht erwartet, ich glaubte an Dänemark, und die führten anfangs ja auch.“ Doch dann wandte sich das Blatt, der Däne begann sich selbst zuzujubeln, nicht den Landsleuten.

Jetzt wartet das große Geld. 600.000 Platten hat Lena schon verkauft, das wird sich vervielfachen. Jedes Mal, wenn die Single im Radio läuft, klingelt in Beder die Kassa. „Noch habe ich nichts davon gesehen, das dauert gut ein Jahr“, wiegelt Gordon ab. Pläne für eine weitere Zusammenarbeit mit Lena gibt es keine, „ihre Platte ist ja längst fertig“.

Dass sein Name in Deutschland bekannt wird, gibt Hoffnung. „Das ist ja ein großer Markt.“ Bislang gibt es noch nicht einmal Fotos von Gordon. Aber wer weiß: Wenn Lena, wie es sich Stefan Raab am Montag gewünscht hat, auch 2011 für Deutschland antreten soll, könnte vielleicht ein Anruf kommen: „Schreib uns wieder so ein Lied.“

Zur Person

John Gordon, 43, Musiker und Komponist aus Dänemark, bislang nur national bekannt, seit 2008 komponiert er, u.a. das Siegerlied des Song-Contests, „Satellite“. [MySpace]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2010)

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