Das Popfest Wien war (ganz) gut und (zu) gemütlich

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Mit dem Nino, der Franziska, dem Willi u.v.a.: Zum ersten Mal fand eine Präsentation der österreichischen Szene(n) am Karlsplatz statt.

Österreich ist nicht Amerika, Wien ist nicht Los Angeles, und der Resselpark ist nicht der Echo Park. (Der schaut eher aus wie ein Gänsehäufel mit Palmen.) All das konnte Ernst Molden nicht daran hindern, Willy De Villes Absturzsong „Carmelita“ in „Katharina“ zu übersetzen und von dort nach da zu verpflanzen, und schau an, es funktionierte.

Damit hatte das Popfest Wien eine potenzielle Hymne, und Molden hatte wieder einmal mit der ihm eigenen Mischung aus Chuzpe und Größe ein Stück Wien zugleich annektiert und globalisiert. Er verlegt ja auch „Summertime“ in ein, nein: sein Salmannsdorf und übersetzt Bruce Springsteens (Mickey Rourke gewidmetes) „The Wrestler“ in ein (Otto Wanz zugetanes) „The Catcher“: So stellt er sich in eine lange Tradition der poetischen Übertragung, die womöglich mit dem „Bundesbahn-Blues“ von Bronner/Qualtinger begonnen hat, die in Willi Resetarits (bzw. Ostbahn-Kurti bzw. dessen Erfinder, Günter Brödl) einen Meister fand.

So war es nur konsequent, dass Molden einmal mehr Resetarits zum herzlichen Zwiegesang auf die Bühne bat. Beide sehen sich ja als Integrationsfigur und Traditionsbewahrer, und inzwischen hat auch Molden das Format dafür. Er lebt damit das, was Wien-Museum-Direktor Wolfgang Kos die „Anachronie“ des Wiener Pop nannte, diesen lässigen Ewigkeitsanspruch, in dem nur das gute alte Wien wirklich vergangen ist, und das war bekanntlich nie.

Alles immer, alles gegenwärtig: In diesem Sinn konnten auch Garish – die immer stimmiger werden in ihrer burgenländischen Variante der zart geschmierten Sentimentalität à la Element Of Crime – Falcos „Junge Römer“ in einer subtilen Version spielen, konnten die Groß- und Größtraumdisco-Vertreter Bunny Lake „Ganz Wien“ fast sklavisch originalgetreu bringen – im Gegensatz zur pomadisierten Variante von Peter Weibels „Liebe ist ein Hospital“, die Tanz, Baby brachten.

In diesem Geist stand aber auch der verhuschte Gastauftritt von Anja Plaschg („Soap and Skin“) beim wundersam verschrobenen Nino aus Wien. Von diesem als Franziska vorgestellt, sang sie Bob Dylans „It Ain't Me, Babe“: ein Ritual der Verweigerung, das in seiner schmerzlichen Koketterie etwas Wienerisches an sich hatte, auch wenn Plaschg aus dem Steirischen kommt.

Schöne, berührende Momente. Die aber wohl nur ein Teil der um den Teich Versammelten mitbekam, mitbekommen konnte: Denn der Sound war schwach, die Bühne war schlecht sichtbar, die Menge war groß. So herrschte über weite Strecken eine Atmosphäre, wie man sie von Nachmittagen auf großen Festivals oder beim Donauinselfest kennt: eine friedliche, freundliche, schläfrige Zusammenkunft, bei der man das Wetter bespricht und sich ums Bier anstellt, während die Popmusik ist, was sie bald überall ist, vom Freibad bis zum Friseur, ein störfreier Soundtrack für ein unverbindliches Freizeitgefühl. Dazu passen Künstler wie der junge Althippie Florian Horwath, dessen Songs man „unaufgeregt“ nennen kann, wenn man nett ist, „unaufregend“, wenn man nicht so nett ist.

Lag die oft laue, unkonzentrierte Stimmung auch daran, dass der Eintritt gratis war? Wäre es nicht besser, einen (geringen) Preis zu verlangen, um zu suggerieren, dass die Musik etwas wert ist? Hätte Kurator Robert Rotifer – dem freilich, vor allem wenn man die kurze Vorbereitungszeit bedenkt, viel gelungen ist – nicht etwas wählerischer sein sollen? Die Abende etwas pointierter komponieren sollen?

Man darf auch sudern!

Darüber darf man sinnieren. Und man darf auch kritisieren. Es ist nicht jede Kritik als „Suderantentum“ zu disqualifizieren, wie dies auf der FM4-Homepage geschieht und wie es leider auch Ernst Molden andeutete. Solche Schonung hat die österreichische Popmusik nicht notwendig, ein solches Entwicklungsgebiet ist sie nicht (und war sie in den letzten 40 Jahren nicht).

Sie an einem lieblicher Ort am Wasser geballt zu präsentieren war jedenfalls eine gute Idee. Das sollte nächstes Jahr (in leicht verknappter Form) wieder passieren. Wenn dazu noch weitere Explorationen – etwa in der Art des (leider) unerreichten Festivals „Phonotaktik“ (1995, 1999, 2001) – kämen, mit zwei, drei Auftragsarbeiten womöglich und mit klug thematisch ausgewählten internationalen Acts, dann hätte Wien zur Festwochen-Zeit ein Popfest, das sich mit dem niederösterreichischen Donaufestival in Krems messen kann. Das sollte möglich sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2010)

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