LCD Soundsystem: Gestutzte Emotionen

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Die triumphale Rückkehr von LCD Soundsystem.

Irgendwann muss auch einmal eine Ruh’ sein. Dieses Wiener Diktum nahm sich der amerikanische Musiker und Plattenproduzent James Murphy zu Herzen und macht – wenigstens in den Texten – Tabula rasa mit wankelmütigen Freunden, mit Helden, Schwärmereien und sogar der Liebe selbst. Murphy, Mastermind des herzlich rauen Projekts LCD Soundsystem, erahnt sogar das Ende des American Dream. Vor 15 Jahren knallte er mit dem grandiosen Debütalbum von LCD Soundsystem in die Szene. Stücke wie „Daft Punk Is Playing At My House“ und „Losing My Edge“ transportierten Murphys Idee, heftig mit den Metaebenen des Pop zu spielen.

„American Dream“, ­    das neue Album von LCD Soundsystem.
„American Dream“, ­ das neue Album von LCD Soundsystem.(c) Beigestellt

Platz eins der Billboard Charts. 2011 überantwortete er, der stets alles kontrollieren will, LCD Soundsystem nach einem letzten umjubelten Konzert im New Yorker Madison Square Garden dem Ruhestand. Der sollte nicht bis zur Ewigkeit währen. Sein delikater Mix aus wuchtiger Elektronik und erdigem Post-Punk ist auf dem neuen Opus „American Dream“, mit dem er tatsächlich erstmals den ersten Platz der Billboard Charts erklimmen konnte, einer etwas milderen Darreichungsform gewichen. Der längerdienende Musikfreund hört aus den zehn neuen Stücken David Bowie und The Cure, Arthur Russell und die Talking Heads heraus. Lauscht man den Songtexten, die das Herbe und das Süßliche, das Zynische und das Naive umkreisen, dann kommt man zur Erkenntnis, dass Ernüchterung etwas Begrüßenswertes sein mag.
In „American Dream“ denunziert Murphy nämliche US-Grundverfasstheit als „drug of the heart“ und rät dazu, einen Ort zu finden, an dem man langweilig sein darf. Murphy selbst dürfte diesen bereits gefunden haben. Er betreibt eine durchaus bourgeoise Weinbar im New Yorker Bezirk Williamsburg und stellt Fragen wie „How Do You Sleep?“. Durch die Songs geistern Referenzen an Verstorbene wie Leonard Cohen, Alan Vega, David Bowie. In „Emotional Haircut“ versetzt er sich in einen alternden Rocker, der sich verzweifelt nach Wiederbelebung seines Aufbruchsgefühls sehnt. Doch wo er hinsieht nichts als Siechtum und Tod, selbst am Display seines Telefons: „Yeah you got numbers on yr phone of yr dead that you cannot delete.“ Andere Songs sind fideler. „Other Voices“ lebt von der innigen Verschränkung elek­tronischen Surrens mit Afrobeat, „Change Yr Mind“ von einer infektiösen Basslinie und herrlich quietschenden Sounds. Der von der britischen Disco-Klescherpartie Hot Chip ausgeliehene Multiinstrumentalist Al Doyle vollbringt wahre Wunder auf diesem Album. (Sony Music)

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