Bobby Oroza: Ideal für Teenager jeglichen Alters

Er macht auch in den USA Furore: Bobby Oroza ist ein Nachgeborener des „Sound of 1971“.
Er macht auch in den USA Furore: Bobby Oroza ist ein Nachgeborener des „Sound of 1971“.(c) Stephanie Weiss
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Der 23-jährige Finne Bobby Oroza überzeugt mit seinem glühenden Debüt, „This Love“, wie man es selten erlebt. Er bugsiert den Soul-Klang der frühen Siebziger ins Heute.

Zweifelsohne ist dieser Mann cinephil. Im Video zu seinem Song „Your Love Is Too Cold“ liegt sein Schädel wunderbar hindrapiert im Schatten eines Rotweinglases. Der Tresen steht im Kafe Moskova, einer schummrigen Bar in Helsinki, die dem Filmregisseur Aki Kaurismäki gehört. Mit der Agonie ist es nach einem Gitarrenintro rasch aus. Bobby Oroza wird von einer harschen Dame aufgerufen. Er hüpft vom Hocker und intoniert seinen Song, als sänge er Karaoke. Die Stimmung wechselt rasch. Die drei anwesenden Personen bewegen sich exzentrisch zu dieser Musik, die einem anderen Jahrzehnt zu entstammen scheint. Wie der Sänger selbst.

Er hat Ähnlichkeiten mit dem mysteriösen Agenten Dale Cooper in David Lynchs Serie „Twin Peaks“. Wenn er in seinem leicht zu großen Anzug introvertiert auf der Bühne steht wie jüngst im Berliner Columbia Club, ist auch ein Hauch Franz Kafka in seiner Ausstrahlung auszumachen. Bobby Oroza ist 23 Jahre alt und biografisch ein untypischer Soulsänger. Von einem weißen Finnen mit bolivianischen Vorfahren erwartet man sich nicht unbedingt eine derartige Authentizität in diesem afroamerikanischen Genre. Wie einst der große Curtis Mayfield spielt Oroza, während er singt, Gitarre. Auf ihr bringt er Klänge hervor, die zuweilen klingen, als kämen sie aus einer Orgel. Diese Sounds kühlen die Hitze seines Gesang ab. Immer wieder wechselt er zwischen Falsett und tieferen Lagen.

Ein US-Label warb Oroza ab

Liebe ist das Leitmotiv dieses Werks. Und so nennt sich dieses fantastische Debütalbum auch „This Love“. Er hat als Perkussionist begonnen und dafür sogar eine Ausbildung auf Kuba absolviert. Aber mehr und mehr hat ihn der Soul der späten Sechziger- und frühen Siebzigerjahre in Beschlag genommen. So hat er die Formensprache dieser Jahre, also die fragile Ästhetik von Acts wie Curtis Mayfield und den Delfonics, internalisiert und mutig ins Heute bugsiert. Das machte auch jenseits des großen Teichs Eindruck.

Das amerikanische Label Big Crown warb Oroza von seinem finnischen Stammlabel Timmion ab. Jetzt ist er bei der gleichen Firma wie Soulgigant Lee Fields unter Vertrag. So etwas ist rar. Aber der Sound von „This Love“ überzeugt, wie man es nur selten erlebt. Ein gutes Beispiel für die Qualität Orozas ist die Ballade „Alone Again“. Ein wenig Hi-Hat und Basstrommel, ausgewählte Gitarrenlicks, und schon krallt sich diese sehnsuchtsvolle Stimme in die Gehörgänge. Sie schafft eine Intimität, die atemlos macht. Im dezent klagenden Ton schwingt ein Versprechen auf etwas Geheimnisvolles mit, das trotz zuweilen bedrohlicher Konturen ungleich verlockender wirkt als alles, was man als „zeitgenössischen“ Sound definiert. Retro? Mitnichten.

Bobby Oroza ist schlicht ein Nachgeborener des „Sound of 1971“. Er lebt diese Klänge, stellt sie nicht bloß nach. Seine Lieder schreibt er alle selbst. Gemeinsam mit seiner präzisen Band Cold Diamond & Mink arbeitet er die Arrangements aus. Nur an zwei Stücke hat der bekannte finnische Elektro-Jazzer Jimi Tenor Hand angelegt.

Eine einzige Coverversion gibt es auf diesem kompakten Debüt. Auch diese tändelt, wie alle Songs von Oroza, mit der Ambivalenz der Liebe. „Should I Take You Home“ stammt von Sunny Ozuna, der in den Sechzigern die Band Sunny & The Sunliners betrieben hat. Oroza interpretiert das alte Lied so hinreißend, dass es sich perfekt in seine eigenen Kompositionen wie „Lonely Girl“ und „Déjà Vu“ einfügt. Seltsamerweise wurde es auf der Vinylpressung ausgelassen. Orozas elegante Musik ist nicht mit Noten zugestellt, und die Texte lassen sich in der eigenen Fantasie weiterspinnen. Ideal für Teenager jeglichen Alters.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2019)

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