Vom Zauber der Tasten

Yuja Wang, May 2017
Yuja Wang, May 2017(c) Rolex/ Ben Hassett
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Sommerliche Virtuosenparade: Zehn der elf Solistenkonzerte bei den Salzburger Festspielen werden dieses Jahr Pianisten bestreiten.

Immer noch ist das Klavier in unseren Breiten das populärste aller Instrumente. Hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, die Programmierung der Solistenkonzerte bei den Salzburger Festspielen hätte ihn erbracht. In zehn der elf Konzerte – das elfte bestreitet der kanadischen Cellist Jean-Guihen Queyras mit den sechs Bach-Cellosuiten – ist ein Pianist dabei. Und, wie es sich für Festspiele dieser Bedeutung und Größe gehört, nicht irgendwer, sondern eine Auswahl der besten ihrer Generation. Von den Alt-Meistern Pollini und Barenboim, jeweils Jahrgang 1942, bis zu Khatia Buniatishvili und Igor Levit, beide Jahrgang 1987, bis zu Daniil Trifonov, dem 1991 geborenen Jüngsten der international gefeierten Tastentiger, spannt sich der klavieristische Bogen. Dementsprechend farbig sind auch die Programme, welche die Damen und Herren Pianistinnen und Pianisten als Solisten, in Recitals oder als Kammermusiker präsentieren.
Yuja Wang, die 1987 in Peking geborene, dort und am berühmten Curtis Institute of Music in Philadelphia ausgebildete, in New York lebende Pianistin, kann sich diesen Sommer gleich von zwei Seiten zeigen. Mit den Berliner Philharmonikern, die zum ersten Mal mit ihrem neuen Chefdirigenten Kirill Petrenko an die Salzach kommen, wird sie mit Prokofjews „Drittem Klavierkonzert“ jenes Werk spielen, mit dem sie einst Claudio Abbado in Lucerne der Welt bekannt gemacht hat. Und mit ihrer Mitwirkung bei einem Bartók und Strawinsky gewidmeten Kammerkonzert mit Martin Grubingers Schlagzeug-Quartett knüpft sie an eine seit einigen Jahren dauernde, begeistert gefeierte Zusammenarbeit an.

Außergewöhnliche Konstellationen. Dass auch der stetige Hinweis auf ein außerordentliches Talent durch eine renommierte Kritikerin eine wichtige Starthilfe sein kann – in diesem Falle die lange für die FAZ tätige, nunmehr in der NZZ berichtende Eleonore Büning –, zeigt das Beispiel des russischen Pianisten Igor Levit, der längst alles andere als ein Geheimtipp ist. Da war es nur mehr eine Frage der Zeit, ihn auch mit den Wiener Philharmonikern zusammenzubringen. Das geschieht diesen Festspielsommer bei einem von Franz Welser-Möst dirigierten Programm mit Henzes Tristan-Préludes für Klavier, Tonbänder und Orchester. Im Rahmen der Solistenkonzerte ist er mit Beethovens Hammerklaviersonate, einer Wagner-Transkription von Liszt und Busoni-Bearbeitung von Liszt zu hören. Zudem wird Levit den Klavierpart in Liszts „Via crucis“ in einem Konzert des Chors des Bayerischen Rundfunks unter Howard Arman interpretieren.
Bearbeitungen haben es auch der georgischen Pianistin Khatia Buniatishvili angetan. Außer Brahms’ f-Moll-Sonate konfrontiert ihr Programm auch mit Horowitz’ atemberaubender Transkription von Liszts zweiter Ungarischer Rhapsodie oder Tschaikowskis Nussknacker-Suite in der nicht weniger anspruchsvollen Klavierpartitur ihres Pianistenkollegen Michael Pletnev.

Aller guten Dinge . . . Daniil Trifonov offeriert sein schon auf Platte aufgenommenes Programm mit Werken unterschiedlicher Komponisten, die Bezug zu Chopin haben, und verbindet sich mit dem französischen Violinvirtuosen Renaud Capuçon und dem exzellenten Salzburger Cellisten Clemens Hagen zu einem Trio für die Klaviertrios von Debussy und Tschaikowski. Apropos Klaviertrios: Wirklich bedeutend gemacht hat diese Gattung erst Beethoven. Er sorgt in seinen Trios dafür, dass die Instrumente gleichberechtigt miteinander musizieren. Zuvor, in den Werken von Haydn, aber auch Mozart, dominierte das Klavier, hatte das Cello kaum mehr als eine Begleitfunktion. An zwei Abenden hintereinander werden Vater Daniel Barenboim am Flügel, Sohn Michael an der Violine und der jüngst erst mit dem Credit Suisse Young Artist Award ausgezeichnete, aus Vorarlberg stammende neue Cello-Shootingstar Kian Soltani Beethovens sämtliche Trios musizieren. Barenboims Jahrgangskollege, der italienische Altmeister Maurizio Pollini, konfrontiert bei seinem Solistenabend Schumanns f-Moll „Concert sans orchestre“ mit spätem Brahms und einer Chopin-Auswahl.
Wie Schumanns „Kinderszenen“ mit einem in unseren Breiten kaum bekannten Stück des katalanischen Komponisten und Pianisten Federico Mompou und Schuberts letzter Sonate, der B-Dur-Sonate D 960, zusammenpassen? Das will uns der aus St. Petersburg stammende Arcadi Volodos zeigen. Er war übrigens Schüler eines großen Schubert-Kenners: von Dmitri Bashkirov, dem Schwiegervater von Daniel Barenboim. Warum nicht Schumanns dritte Klaviersonate mit der vierten Skrjabin-Sonate, Chopin-Nocturnes und – schließlich ist dieses Jahr auch ein Debussy-Jahr – ausgesuchten Debussy-Préludes zu einem Bogen spannen? Dieser Idee ist der Soloauftritt von Evgenij Kissin verpflichtet.

Anspruchsvolle Herausforderungen. „Nur“ drei Haydn-Sonaten und die Schubert-Impromptus D 935? Man müsste schon sehr naiv sein zu glauben, dass damit der große, 1950 in Leningrad geborene Grigory Sokolov schon alles preisgegeben hätte, was er mit seiner Interpretationskunst im Salzburger Festspielhaus adeln wird. Man darf wetten, dass er an diese wohl überlegte Programmfolge noch sechs Encores anfügen wird. In den letzten Jahren war es jedenfalls so, und zwar überall, wo er gastierte.
Damit ist die sommerliche Pianistenparade, wenn man es so nennen will, längst nicht erschöpft. So präsentiert Sir András Schiff im Rahmen der Solistenkonzerte an zwei Abenden seine immer wieder faszinierende Sicht von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“. Sir Simon Rattle, erstmals mit seinem neuen Orchester, dem London Symphony Orchestra, Gast bei den Festspielen, bringt niemand Geringeren als den gerne als Aristokraten unter den Pianisten der Gegenwart charakterisierten Krystian Zimerman als Solisten für den anspruchsvollen Klavierpart der „Zweiten Symphonie“ von Leonard Bernstein mit. Prominenter könnte man an Bernsteins 100. Geburtstag gar nicht erinnern. Aber auch Festspielintendant Markus Hinterhäuser widmet sich besonderen pianistischen Aufgaben, etwa in der Galina Ustwolskaja-Retrospektive, wofür auch das Klangforum Wien und ihr Pianist Mario Formenti eingeladen sind. Hinterhäuser führt Ustwolskajas sechs Klaviersonaten und mit der Geigerin Patricia Kopatchinskaja die Sonate und das Duett für Geige und Klavier auf. Außerdem begleitet er Matthias Goerne bei einem Schumann-Liederabend. Mit Helmut Deutsch, der Jonas Kaufmann und Diana Damrau am Flügel assistiert, und Malcolm Martineau, den Florian Boesch für sein Schubert-Mahler-Krenek-Programm mitbringt, haben die Festspiele weitere prominente Pianisten in ihrem Programm.
Und Mozart? In der letzten Mozart-Matinee trifft man auf den 1983 in Locarno geborenen Alexis-Weissenberg- und Alfred-Brendel-Schüler Francesco Piemontesi. Er hat sich vor allem mit zwei Komponisten einen Namen gemacht: mit Debussy und Mozart – der eine heuer der bestimmende Jahresregent, der andere der Genius loci Salzburgs. Da trifft sich dieses Engagement bestens.

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