Fragen an die Solisten

Patricia Kopatchinskaja
Patricia Kopatchinskaja(c) Salzburger Festspiele/Marco Borggreve
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Nachgefragt bei Patricia Kopatchinskaja, Arcadi Volodos, Quatuor Ebène und Maurizio Pollini.

Patricia Kopatchinskaja spielt Werke von Ravel und Enescu, darunter Ravels „Tzigane – Rhapsodie de concert für Violine und Klavier“.

Was schätzen Sie besonders an Ravels „Tzigane“?

Ich spiele dieses Stück mein ganzes Leben lang und habe mich nie gelangweilt. Obwohl Ravel alles fast pedantisch aufgeschrieben hat, gibt es viel Platz für Fantasie. Was er notiert hat, ist eine Folklorefälschung im besten Sinne, eine detaillierte humoristisch-todernste Studie über Violintechnik und Geigerseele. Ravel hat osteuropäische Folklore zu eigenen Fantasiegebilden kristallisiert. Die Volksmusiker improvisierten im Moment, sie spielten jedes Mal anders. Auch ich entscheide im Moment: Was will ich dabei heute sagen? Wie spüre ich es, wie will ich es dem Publikum erzählen? Im Stil von Picasso? Chagall? Kandinsky? Wie eine vergessene Fotografie? Oder male ich selbst ein Bild? Oft spiele ich sie volkstümlich, mit einem Augenzwinkerer.

Arcadi Volodos interpretiert Werke von Rachmaninow, Schubert und Skrjabin.

(c) Ali Schafler/Sony Classical

Sie haben Rachmaninows „Zdes‘ chorošo“ aus den „Zwölf
Liedern“ selbst adaptiert – wie viel Rachmaninow und wie viel Volodos steckt in dieser Version?

Mein Ziel war es, die Adaption so zu schreiben, als wäre das Lied von Rachmaninow selbst für Klavier komponiert worden. Es soll klingen, als wäre es ein Präludium oder eine Etüde von ihm. Ich habe versucht, dass sich darin nichts von Volodos, sondern nur Material von Rachmaninow findet, ja, dass meine Präsenz sich hier auf die eines Interpreten beschränkt, der die Botschaft Rachmaninows umsetzt – mit seiner Sprache und in seiner Art, für Klavier zu komponieren, und nicht meiner. Ich weiß gar nicht genau, was es war, das mich an diesem Stück so faszinierte – und will es auch gar nicht wissen. Es gibt Rätsel, die nicht enthüllt werden sollten.

Quatuor Ebène spielt Brahms Streichquartett Nr. 1, Henri Dutilleux „Ainsi la nuit“ und Beethovens „Rasumowsky-Streichquartett“.

(c) Julien Mignot

Was macht Dutilleux „Ainsi la nuit“ zu einem so bedeutenden Streichquartett des 20. Jahrhunderts?

Dieses Meisterwerk verfügt, neben anderen bemerkenswerten Qualitäten, über eine ganz außergewöhnliche poetische Dichte. Raffinierte harmonische Sprache wird mit besonderer Modernität kombiniert. Dutilleux studierte Beethoven zur Vorbereitung, die Vermischung der Stimmen erinnert an das „Rasumowsky-Streichquartett“. Selten wurde das musikalische Material derart weiter entwickelt. Die Tatsache, dass wir es mit sieben ununterbrochenen Sätzen zu tun haben, mag etwa mit Beethovens Opus 131 in Verbindung stehen, obwohl die Zwischensätze, die diese Kontinuität ermöglichen, eher Miniaturen ähneln. Auch Webern und Bartók hatten großen Einfluss auf Dutilleux.

Maurizio Pollini spielt neben Arnold Schönbergs „Drei Klavierstücke“ und Beethovens „Hammerklavier-Sonate“ Luigi Nonos „...sofferte onde serene...“ für Klavier und Tonband, das Nono für Pollini komponiert hat.

(c) York Christoph Riccius/Deutsche Grammophon

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Luigi Nono?

Ich traf Nono das erste Mal in der Saison 1965/66 in Venedig. Begeistert von seiner Arbeit, fragte ich ihn, ob er nicht Interesse habe, etwas für Klavier zu schreiben. Unsere Freundschaft entwickelte sich während der Vorbereitungen zur Uraufführung von „Como una ola de fuerza y luz“, 1972 unter Claudio Abbado in Mailand, ein Werk aus Nonos aktivster politischer Phase, die meiner Meinung nach einer kritischen Aufarbeitung bedürfte. Nono hat immer betont, dass es sich um eine Gemeinschaftsarbeit handelte: In Wirklichkeit hatte ich das Material für die Tonbandcollage geliefert (spezielle Sounds, Tonrepetitionen, Pedalgeräusch etc.).
Mit dieser Komposition für Sopran, Klavier, Tonbänder und Orchester schlägt Nono einen neuen Ton an. Sie steht für mich am Übergang zur letzten Schaffensperiode.

("Die Presse", Salzburger Festspiele, 01.06.2019)

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