"Jack Ryan": Ein Kult-Agent in Serie

Kämpfen kann er auch noch: Jack Ryan ist ziemlich perfekt.
Kämpfen kann er auch noch: Jack Ryan ist ziemlich perfekt.(c) REUTERS (MARIO ANZUONI)
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In der flotten Spionagegeschichte spielt John Krasinski den CIA-Analysten aus der Feder von Tom Clancy. Ein Agent, der fast alles kann - und ein bewusster Gegenentwurf zu den dysfunktionalen Ermittlern der vergangenen Jahre ist.

Schon der Titel weist darauf hin: Der Agent Jack Ryan ist nicht irgendeiner, sondern „Tom Clancy's Jack Ryan“. Seit der mittlerweile verstorbene US-Autor seine dicken, patriotischen Bücher geschrieben und die Figur erschaffen hat, hat sich die Welt weitergedreht. Das zeigt sich zuerst einmal darin, dass der CIA-Agent in der neuen Amazon-Prime-Serie mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt. Und, gescholten von gesundheitsbewussten Frauen, sogar widerwillig Yoga ausprobiert.

Die erste Staffel ist in Bezug auf die Bücher eine Art Prequel. Ryan, gespielt von John Krasinski, arbeitet erst seit vier Jahren für die CIA, Abteilung Terrorfinanzierung. Mit einem Dutzend anderer junger Leute sitzt er in seiner bescheidenen Nische im Großraumbüro; seine Arbeit besteht darin, dubiose Finanzströme zu analysieren. Ein Schreibtischjob, zumindest bis er nolens volens auf einer Gartenparty in einen Hubschrauber steigt und sich im Mittleren Osten wiederfindet, wo er bei einem Verhör assistieren soll. Sein eindrucksvoller Abgang findet vor den Augen jener Frau statt, mit der er sich gern verabreden würde.

Dann Wüste, Stacheldraht, Sandsäcke und kahle Räume: Eine US-Basis im Nirgendwo. Bei seiner Ankunft wird der zerzauste Agent von einem kaugummikauenden Militär empfangen. Nachdem dieser hört, woher Ryans Doktortitel stammt (Wirtschaftswissenschaften), bittet er ihn gleich einmal um Aktientipps. Als – freilich muskelbepackter – Theoretiker steht Ryan am Rand des Geschehens. Und doch ist er der Einzige auf der US-Basis, der erkennt, welcher der gefangenen Männer tatsächlich Suleiman, der Kopf einer neuen Terrorgruppe, ist.


Ein Durchschnittstyp

Viele Ortswechsel, Verfolgungsjagden und gut orchestrierte Kampfszenen: Es ist eine flotte Spionagegeschichte, die hier erzählt wird, auch wenn die Dialoge nicht immer realistisch und die Charaktere nicht immer gut beleuchtet sind. Die Figur des Jack Ryan wurde bereits von Harrison Ford, Alec Baldwin und Ben Affleck verkörpert. Dass er körperlich und geistig ein Ausnahmetalent ist, fällt hier im Vergleich zu den Filmen weniger auf. Er ist gut in seinem Job und hat als Ex-Marine auch zu kämpfen gelernt, wirkt aber wie ein Durchschnittstyp.

Es ist ein beabsichtigter Gegenentwurf zu den instabilen und dysfunktionalen Serienagenten und -ermittlern der vergangenen Jahre, den die Autoren Carlton Cuse („Bates Motel“) und Graham Roland („Prison Break“, „Fringe“) schufen. Ein Kontrastprogramm zu Charakteren wie der bipolaren Carrie Mathison aus „Homeland“, dem emotional unzulänglichen Sherlock oder dem sozial inkompatiblen DI Hardy aus „Broadchurch“. Diese Figuren üben auf die eine oder andere Weise Selbstjustiz, misstrauen (aus gutem Grund) ihren eigenen Organisationen, sind labil und egomanisch.

Instabile Ermittler, wohin man blickt; Ryan ist der moralisch einwandfreie Gegenentwurf.

Jack Ryan dagegen ist moralisch einwandfrei. Auch in anderen weckt der klassische Held das Beste – etwa in seinem Chef James Greer, einem der drei aus den Büchern übernommenen Charaktere. In der Serie wird er von Wendell Pierce („The Wire“) gespielt. Zentrale Elemente aus den Büchern wurden übernommen, die Autoren strickten daraus ihre eigene Geschichte und formten vor allem einen richtig netten, gut funktionierenden CIA-Agenten.

Gleichzeitig spürt man, dass hier versucht wurde, ein allzu starkes Schwarz-Weiß-Denken zu vermeiden. Es gibt eine Bandbreite an islamischen Figuren, vom schmierigen türkischen Zuhälter über still leidende Flüchtlinge bis zur heroisch kämpfenden Mutter. Amazon rührt kräftig die Werbetrommel für die Blockbuster-Serie, seit Ende August sind die acht Episoden der ersten Staffel verfügbar. Eine zweite Staffel wird bereits produziert. Sie wird Jack Ryan nach Südamerika und in eine Krise der Demokratie führen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2018)

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