Serie „Black Mirror“ soll interaktiv werden

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1(c) David Dettmann/Netflix
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In der nächsten, fünften Staffel der Netflix-Serie sollen Zuschauer über die Handlung mitentscheiden können. Eine gute Idee?

Die beliebte Netflix-Serie „Black Mirror“ soll in ihrer nächsten, fünften Staffel eine interaktive Folge bekommen. Das berichtet „Bloomberg“ und bezieht sich dabei auf Quellen aus dem Unternehmen. Ähnlich wie in der Abenteuer-Buchreihe „Choose Your Own Adventure“ („1000 Gefahren“), in der der Leser die Handlung mitbestimmt, indem er auf bestimmten Seiten weiterliest, soll der Zuschauer am Bildschirm den Fortgang der Geschichte anhand verschiedener Optionen beeinflussen können.

Es ist nicht das erste Mal, dass Netflix mit interaktiven Formaten experimentiert – bisherige Versuche beschränkten sich allerdings auf das Kinderprogramm: So konnten junge Zuschauer etwa wählen, welchen Herausforderungen sich der fellige Protagonist in „Der gestiefelte Kater und das magische Buch“ stellen soll. Je nachdem, wie man sich entschied, gestaltete sich auch der kurze Film – und dauerte zwischen 18 und 39 Minuten.

Die Serie „Black Mirror“, die von der Verbindung zwischen Mensch und Technologie handelt und Folge für Folge sichtbar macht, welche düsteren sozialen Konsequenzen der technologische Fortschritt haben könnte, wirkt wie prädestiniert für einen neuerlichen Versuch, Interaktivität zwischen Plattform und Zuschauer zu schaffen. Ein Unterfangen, dass auch Netflix‘ Konkurrent, der Kabelsender und Streamingdienst HBO, bereits gestartet hat: Parallel zur Ausstrahlung dort erschien Steven Soderberghs Serie „Mosaic“ auch in einer längeren, interaktiven Version in einer App. Einen durchschlagenden Erfolg hatte auch sie nicht: Bisher sind die beliebtesten TV-Produktionen mit Publikumsbeteiligung Reality- und Castingshows.

"Wir könnten eine Endlosschleife bauen"

Wovon die interaktive „Black Mirror“-Episode handeln soll und wann sie erscheint, gab Netflix noch nicht bekannt. Branchenkenner erwarten sie im Dezember. Derweil wird bereits spekuliert, welche Welten ein interaktives Szenario bei „Black Mirror“ eröffnen könnte. Der Macher der Serie, Charlie Brooker, hatte schon 2017 in einem Interview mit dem „Hollywood Reporter“ darüber sinniert, was innerhalb der technischen Möglichkeiten der Plattform Netflix zur Serie passen würde: „Wir könnten den Seher in einer Endlosschleife gefangen halten! Das wäre möglich auf Netflix – man könnte einen „Groundhog Day“ (Originaltitel von „Und täglich grüßt das Murmeltier“, Anm.) machen, der buchstäblich nie endet.“ Dazu müsste Netflix nur den „Zurück“-Knopf bei dieser Folge deaktivieren, sagte Brooker. Realisiert wurden seine Ideen nicht – nun könnte es soweit sein.

Doch die Ankündigung rief auch Kritiker auf den Plan. Manche befürchten, die Serie könnte an Schärfe einbüßen, wenn die Kontrolle über die Handlung nicht mehr bei den Machern, sondern den Zuschauern liegt: Anstatt uns zurückzulehnen, das Gezeigte in uns aufzunehmen und uns an einen fremden Ort und in eine fremde Zeit transportieren zu lassen, müssten wir aktiv eingreifen – und würden uns womöglich eine Folge bauen, die zwar unseren Vorlieben entspricht, uns aber weniger überraschen oder gar erschüttern könnte.

Werden Drehbücher bald von Algorithmen geschrieben?

Dagegen spricht, dass „Black Mirror“-Folgen ohnehin die Folgen von scheinbar harmlosen Entwicklungen aufzeigen, indem Dinge an die Spitze getrieben und Zukunftsszenarios gezeigt werden, die bizzar, auf den zweiten Blick aber gar nicht mehr so unplausibel wirken. In der Folge „Nosedive“ etwa giert eine ehrgeizige Frau, stets mit dem Smartphone in der Hand, nach guten Social-Media-Bewertungen durch ihre Freunde, nach einem einflussreichen Bekanntenkreis und angenehmen, wenn auch nichtssagenden Begegnungen – das alles nur für einen höheren „Social Score“, der ihren soziökonomischen Status festlegt und zum Beispiel ihren Zugang zum Wohnungsmarkt regelt.  „Ich verspreche Ihnen, wir haben die Idee nicht an die chinesische Regierung verkauft“, musste Brooker scherzhaft sagen.

Aber noch ein Thema wirft eine interaktive Serie auf: Schon jetzt sammelt Netflix anhand unserer Sehgewohnheiten wertvolle Daten; die Plattform weiß genau, wer zu welcher Zeit gerne welche Genres anschaut; weiß, an welcher Stelle wir einen gruseligen Film lieber abbrechen und welche Komödien uns so zum Lachen bringen, dass wir gleich noch einmal zurückspulen. Wenn nun auch noch jede Entscheidung, die wir in einer interaktiven Folge treffen, in diese riesige Datensammlung mit einfließt: Werden dann bald auch Drehbücher nicht von Autoren, sondern Algorithmen geschrieben? Bekommt dann jeder Netflix-Nutzer genau die Geschichte präsentiert, die anhand seiner persönlichen Vorlieben berechnet wurde? Worüber sollen wir uns dann noch nach dem Seriengenuss unterhalten? Zugegeben, das klingt wie ein Einfall aus einer „Black Mirror“-Folge. Und ist vielleicht gerade deshalb so unheimlich.

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