Wiens berühmtester Cafetier ist tot

Wiener Cafetier Leopold Hawelka
Wiener Cafetier Leopold Hawelka(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Kaffeehauslegende. Leopold Hawelka stand synonym für die Wiener Kaffeehauskultur der Nachkriegszeit. Sein Café gilt seit Jahrzehnten als Institution. Im Alter von 100 Jahren ist der legendäre Wiener gestorben.

100 Jahre alt ist er geworden, Wiens bekanntester Cafetier. Jahrzehntelang war der Name Hawelka synonym für die Wiener Kaffeehauskultur der Nachkriegszeit gestanden, der auch das sogenannte Kaffeehaussterben, amerikanische Coffee-Shops und Fast-Food-Kaffee aus dem Pappbecher nichts anhaben konnten. Und Leopold Hawelka war der Mann, der dieses kleine Stück Wiener Kulturgeschichte in der Dorotheergasse immer so bewahrt hatte, wie es seine Gäste noch bis heute lieben.

Mit großem Überblick wies der gebürtige Niederösterreicher den Besuchern Sitzplätze zu, setzte sie auch zu anderen an den Tisch und sorgte damit für so manche interessante Begegnung, manches nette Gespräch. Ob das nun Künstler waren, die in den 60ern und 70ern das Hawelka als Refugium entdeckt hatten, oder Touristen, die Mitte der 80er die Künstler als Gäste ablösten. Für den Mann mit Fliege, Sakko und einem Tuch über den Ärmel geworfen machte all das keinen Unterschied. Außer vielleicht den, dass die Künstler in mehr Zeit weniger konsumierten.

Freundschaften mit den Gästen, die lehnte er als Unsitte ab. Nur konsequent, dass er das Reden mit den Besuchern auch lieber seiner Frau überließ. Josefine Hawelka, seine große Liebe, die er 1936 geheiratet und mit der er drei Tage später das erste gemeinsame Café eröffnet hatte. Sie war es, die sich immer mit den Händen auf die Sessellehnen gestützt zu den Gästen beugte und fragte, ob auch alles in Ordnung sei. Während Leopold sich darum kümmerte, dass alles reibungslos lief, dass alle versorgt waren. Und dass auch alles immer so blieb, wie es sein sollte.

(c) AP/MARTIN GNEDT

Renovieren? Wozu, wenn doch die Gäste genau die Patina so schätzten. Die rot-gelb-gestreiften Sitzgarnituren, die alten Holzsessel, die kleinen Tischchen - genau so war es früher, genau so ist es heute. Und natürlich die Buchteln. Erst spät am Abend, gegen 22 Uhr, wurden sie serviert. Über Jahrzehnte hat sich nichts daran geändert. Nur dass nach dem Tod von Josefine Hawelka im Jahr 2005 die Enkel Michael und Amir die lieb gewordene Tradition weiterführten.

Und doch änderte sich durch den Tod seiner Frau einiges. Leopold Hawelka wurde immer weniger zum Chef, dafür immer mehr zum Gast. Saß auf seinem Stammplatz nahe der Bar, trank einen Kaffee, las ein wenig in der Zeitung und blickte immer öfter mit geduldigem Blick ins Leere. Für sein Café war er da - zwar nicht mehr als der Mann, der das Silbertablett mit dem Glas Wasser zum Tisch bringt, sondern als Kultfigur, als Fotomotiv. Und das nicht aus Eitelkeit, sondern als einfache Selbstverständlichkeit.
Immerhin hatte er das Café bereits seit dem Jahr 1939 geführt - gleich zu Beginn mit einer langen Pause, als er zur Wehrmacht eingezogen wurde.

Doch seit dem Dezember 1945 lief das Hawelka ganz selbstverständlich Tag für Tag. Und Hawelka war immer dabei. Erst in den letzten Jahren musste dann doch die eine oder andere Tradition weichen: Etwa die Rauchschwaden, die viel vom Flair des Lokals ausmachten. Die Gesetze zum Nichtraucherschutz sorgten dafür, dass im Café heute klare Sicht herrscht.

Kein Ruhetag mehr

Aber auch dafür, dass eine weitere Tradition geopfert werden musste: Weil die rauchenden Gäste ausblieben, wird der Dienstag nicht mehr als Ruhetag gehalten, ist das Café sieben Tage die Woche geöffnet. Der alte Hawelka forderte zunächst noch, dass Aschenbecher auf die Tische gestellt werden. Doch bald nahm auch er zur Kenntnis, dass sich Dinge ändern müssen. Sogar im Hawelka.

Seinen 100. Geburtstag am 11. April konnte er nicht mehr in seinem Café feiern, die zahlreichen Gäste warteten umsonst auf ihn. Der Kreislauf, hieß es aus seiner Familie. Von ihr kam gestern, Donnerstag, dann auch die Nachricht. „Mein Vater ist in seinem Bett gelegen und ohne Schmerzen eingeschlafen", ließ seine Tochter Helga mitteilen. Ein ruhiges Ende für den berühmtesten Kaffeehausbesitzer Wiens. 100 Jahre alt ist er geworden.

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