Das Ende der Tee-Mythen

Ende TeeMythen
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Tee wärmt uns in der kalten Jahreszeit und ist gesund. Ja, eh. Endlich aber zeigt sich Tee von seiner anderen, jüngerenund schrägeren Seite.

Auf der einen Seite stehen „Fühl dich wohl“, „Heiße Liebe“ und „Süßes Früchtchen“. Auf der anderen Seite stehen die Tee-Nerds, die Unmengen für einen Vintage-Pu-Erh-Tee Jahrgang 1978 ausgeben und in Online-Foren bitterböse Glaubenskriege über exakte Ziehzeiten und die richtige Tasse führen. Und dazwischen passiert auch nicht gerade wenig. Das zeigt „Tee! Tee! Tee!“, das neue Buch von „Presse“-Schaufenster-Redakteurin Anna Burghardt. Darin wird auf die sicher interessante, aber auch nicht ganz brandneue Geschichte des Tees verzichtet. Dafür werden die aktuellen Teetrends unter die Lupe genommen – und zwar auf eine erfrischend schräge Art. Ganz nebenbei hat Burghardt gleich auch mit dem einen oder anderen Tee-Mythos aufgeräumt. Hier ist einiges, was Sie unbedingt über Tee wissen sollten.

Teebeutel sind böse.

Zumindest ist das nicht erwiesen, sie schmecken eben meist mehr nach Aromen als nach Tee. Dafür können sie manchmal mit recht lustigen Namen aufwarten, von dem eingangs erwähnten „Süßen Früchtchen“ über den „Kutz-Kutz-Tee“ bis zum „Zieh-dich-aus-Tee“. Letzterer ist zwar (noch) nicht erfunden, würde aber vielleicht (noch) mehr Männer zum Teekaufen animieren.

Richtige Teeliebhaber erkennt man übrigens (spätestens) an ihrem Blick angesichts eines Teebeutels. Wobei sich die Hersteller durchaus Mühe geben und daran arbeiten, die Teebeutel so zu adaptieren, dass auch echte Teeblätter und nicht nur Teestaub darin Platz haben, etwa durch pyramidenförmige Teebeutel. Andere wiederum setzen auf Kapseln, immerhin funktioniert das beim Kaffee ja auch recht gut.

Tee-Nerds verstehen etwas von Tee.

Das mag schon sein. Es hindert sie aber nicht daran, einen eher befremdlichen Umgang mit Tee zu entwickeln. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand sein Wissen über Tee teilt und sich gerne austauscht. Allerdings mutet es schon ein bisschen absurd an, wenn Menschen zwar viel Zeit und Geld in die Suche nach dem besten Tee sowie Teehändler investieren, dann aber wiederum auf virtuellen Teetauschbörsen so mir nichts, dir nichts ihre Schätze mit andern tauschen – und von Fremden annehmen. Noch seltsamer ist da der „customized tea“. Auch wenn es dem Zeitgeist entspricht, sich seine ganz persönliche Teemischung zusammenzustellen, sollte man sich dann aber nicht wundern, wenn die Mischung aus fünf Milliarden Kombinationen (ja, ein Online-Händler bietet tatsächlich so viele an) dann doch nicht schmeckt. Immerhin verdienen andere Leute genau damit ihr Geld.

Je frischer, desto besser.

Auch das ist relativ. Natürlich schmeckt ein abgestandener Tee-Aufguss nur selten gut. Aber echte Teeliebhaber haben seit Kurzem einen Spleen für sich entdeckt, der an die Weinwelt erinnert: Vintage Teas. Und damit sind weder nostalgische Teepartys, wo Petticoat und schmale Krawatten dominieren, noch Omas Teegeschirr gemeint. Nein, dabei handelt es sich um Pu-Erh-Tee älteren Jahrgangs, wofür beachtliche Summen ausgegeben werden. So gibt es etwa bei dem deutschen Teehändler Tea Exclusive 20 Gramm vom Yiwu Pu Erh, Jahrgang 1960, um 32,50 Euro. Bei 100 Gramm macht das stolze 162,50 Euro.

Guter Tee kommt aus China, Indien, Japan oder Sri Lanka. Stimmt, aber nicht nur. Seit den späten 90er-Jahren wird etwa Nepal für den Teehandel immer wichtiger, ebenso wie Vietnam oder Südkorea. Aber auch auf den Azoren, in Bolivien, Neuseeland, Cornwall und der Schweiz tut sich einiges in Sachen Tee.

Beim Teetrinken sitzt man.

Natürlich kann man das machen, aber es geht auch anders. Während der klassische Afternoon-Tea hierzulande gerade eine Renaissance erlebt, kommt er bei unseren Nachbarn schon etwas flotter daher: als Teetanz oder in Form einer Teedisco. Das Hamburger Teehaus Samova hat damit bereits 2002 begonnen. „Wir machen das am Sonntagnachmittag, mit Livemusik, Tee, Teecocktails und auch vielen Kindern“, sagt Samova-Gründerin Esin Rager. Mittlerweile gibt es das auch in anderen Städten. In Wien kooperiert Samova mit dem 25hours-Hotel. Ein Teetanz ist zwar noch nicht geplant, Rager sieht da aber durchaus Potenzial.

Tee ist gesund.

Ja, eh. Vorausgesetzt man mischt ihn nicht mit Alkohol. Das wird nämlich mittlerweile nicht nur beim Jagatee gemacht, sondern auch bei den Teecocktails, die in immer mehr Bars angeboten werden.

Tee ist zum Trinken da.

Ja, aber nicht nur. Immer mehr Köche setzen auf Tee. Bei einem Teeaufguss gilt: lieber mehr Tee verwenden als länger ziehen lassen, damit der Teesud kräftiger schmeckt. Ansonsten lässt sich (hochwertiger) Tee ähnlich wie Kräuter einsetzen. Samowa-Chefin Esin Rager arbeitet derzeit übrigens an einem Teekochbuch, das nächstes Jahr herauskommen soll.

»Tee! Tee! Tee!«


Anna Burghardt, Gourmet-Redakteurin und Chefin vom Dienst des „Presse“-Schaufensters, hat soeben „Tee! Tee! Tee!“ herausgebracht (Metroverlag, 128 Seiten, 16,90 Euro). Das Buch mit dem Untertitel „Bubbles, Cocktails, Accessoires – ein altes Getränk erfindet sich neu“ konzentriert sich auf aktuelle Teetrends und lässt Geschichte und gesundheitliche Wirkung aus. Das Teehaus Demmer bietet dazu einen Special-Edition-Tee. Fabry

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2012)

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