Das Café Drechsler legt seit der Neuübernahme mehr Wert auf die Speisekarte. Das klappt auch ziemlich gut.
Wenn man nicht genau schaut, hat es sich kaum verändert. Gut, die Holzvertäfelungen an den Wänden sind weg, so wie auch die roten Sitzbezüge. Und statt der Uhr am hinteren Ende hängt nun ein gemalter Helmut Qualtinger. Aber sonst ist das Café Drechsler, seit es Ende März geschlossen und Mitte Mai wieder eröffnet wurde, einfach das Café Drechsler. Bis hin zu den Gästen – vom Jungunternehmer im weiß-blau gestreiften Hemd bis zur jungen Touristin, die mit der Spiegelreflex morgendliche Fotos am Naschmarkt geschossen hat. Aber ja, natürlich hat sich etwas geändert, seit Nikolai Kölbl und Benjamin Weidinger das Lokal übernommen haben – die Küche hat tatsächlich mehr von dem bekommen, was die neuen Betreiber als „Pep“ bezeichnen. Was schon beim Frühstück beginnt: „Der fesche Wiener“ (14,90 Euro inklusive Kaffee) mit Tatar vom Weiderind, Dijonaise und Bergkäse hebt sich erfrischend ab vom 08/15-Frühstück manch anderer Kaffeehäuser, der Bioweinbergspitz aus der Bäckerei Öfferl sorgt dafür, dass man am Ende so satt ist, dass das Mittagessen ausfallen darf. (Die Touristin mit der Spiegelreflex wirkt mit dem Frühstück „Der Engländer“ – 14,90 Euro – mit Smoked Beans, gebratenem Bauchspeck und Spiegelei übrigens sehr glücklich.)
Für zwischendurch hat man verschiedene Toasts – der „G'zupfte Ferdl“ (8,90 Euro) etwa mit geschmortem Schopfbraten geht locker als komplette (und deftige, aber doch raffinierte) Mahlzeit durch. Und bei den Hauptspeisen winken vor allem die „Berliner Senfeier“ (9,90 Euro) freundlich von der Karte. Hat schon was. Kulinarisch auf jeden Fall. Sonst ist es halt ein bisschen so, wie das Drechsler in den Jahren davor schon war. Gut, die Öffnungszeiten ab 3 Uhr morgens wie ganz früher wären noch schön. Aber mit denen war ja schon 2013 Schluss. Man kann halt nicht alles haben . . .
Café Drechsler: Linke Wienzeile 22, 1060 Wien, Mo–Do 8–1, Fr 8–4, Sa 9–1, So & Fe 9–0 Uhr, ✆ 01/581 20 44, www.cafedrechsler.at
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.05.2018)